Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtungs- und Leistungsklage. Statthaftigkeit. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Übernahme von Beiträgen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Direktzahlung an das Versicherungsunternehmen. Verwaltungsakt. Verwaltungsaktbefugnis. Widerspruchsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bewilligungsbescheiden der Sozialleistungsträger ist regelmäßig keine Verfügung im Sinne von § 31 S 1 SGB X über den Auszahlungsempfänger zu entnehmen, wenn die Leistung schlicht an den “natürlichen„ Leistungsempfänger, also den Leistungsberechtigten, ausgezahlt werden soll und nicht erkennbar ist, dass die Behörde die Auszahlung an einen Dritten wenigstens erwogen hätte. Anders liegt die Situation jedoch, wenn die Behörde die Leistung an einen Dritten auszahlen möchte, jedenfalls dann, wenn dies gegen den Willen des Betroffenen geschehen soll, und sich der Leistungsträger diesbezüglich gegenüber dem Leistungsberechtigten in einer Weise äußert, die einen Regelungswillen zum Ausdruck bringt.

2. Für eine entsprechende verbindliche Regelung besteht, wenn eine Direktzahlung der Leistung an Dritte (hier: ein privates Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen) in Betracht kommt, auch ein Bedürfnis, um zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen, so dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Befugnisnorm nicht bedarf, um dem Leistungsträger entsprechende Verfügungen zu ermöglichen.

 

Orientierungssatz

Ein Widerspruchsbescheid kann dazu führen, dass ein Verwaltungshandeln, das ursprünglich gar nicht in Form eines Verwaltungsakts im Sinne des § 31 S 1 SGB 10 erfolgte, durch den Widerspruchsbescheid entsprechend Gestalt gewinnt (§ 95 SGG).

 

Normenkette

SGB X § 31 S. 1, § 24 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 44; SGB XII § 32 Abs. 5 Sätze 1, 5 Fassung: 2011-12-22, § 17 Abs. 2 S. 1, § 35 Abs. 1 Sätze 2-5, § 43a Abs. 3 S. 3; SGG § 54 Abs. 1, 4-5, §§ 92, 96 Abs. 1, § 144 Abs. 1 S. 1, § 153 Abs. 1, § 170 Abs. 5; SGB II § 22 Abs. 7 Sätze 2-4; VAG § 152 Abs. 4 S. 2; VAG a.F. § 12 Abs. 1c S. 5

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.04.2019; Aktenzeichen B 8 SO 7/19 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren und das Beschwerdeverfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vor dem Bundessozialgericht keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Auszahlung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), die der Beklagte unter Berücksichtigung von Beiträgen zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung bewilligt hat, an den Kläger - statt an das Versicherungsunternehmen - und die Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Behebung einer finanziellen Notlage.

Der 1940 geborene Kläger erhält aufstockend zu einer Altersrente und einem Ruhegeld der C. Bausparkassen AG Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch. Er ist bei der DKV Deutsche Krankenversicherung AG (DKV) privat kranken- und pflegeversichert, und zwar - soweit ersichtlich seit Juni 2009 - im sogenannten Basistarif. Nach Umzug von D-Stadt nach A-Stadt gewährte ihm der Beklagte als nunmehr zuständiger Leistungsträger mit Bescheid vom 16. April 2015 laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch in Höhe von 204,83 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 31. März 2016. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte er - wie vom Kläger im Rahmen seines Antrags vom 2. April 2015 geltend gemacht - auf der Grundlage von § 32 Abs. 5 SGB XII in der im streitigen Zeitraum maßgeblichen alten Fassung (a.F.) den von diesem geschuldeten Beitrag zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 363,18 Euro monatlich. Als Zahlungsempfänger ist in dem Berechnungsbogen, der dem Bescheid beigefügt war, der Kläger persönlich aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf der Abteilung 1 der Leistungsakte des Beklagten (im Folgenden: LA) Bl. 27-30 Bezug genommen. Durch Änderungsbescheid vom 2. Juli 2015 passte der Beklagte die Leistungshöhe infolge einer Erhöhung der als Einkommen berücksichtigten Rente auf einen monatlichen Betrag von 186,63 Euro an. Hinsichtlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ergaben sich keine Änderungen.

Mit Schreiben vom 23. September 2015 (vgl. i. Einz. Bl. 2-3 der Abtl. 4 der LA) teilte die DKV dem Beklagten mit, der Kläger habe schon seit Jahren keine Beiträge mehr entrichtet, und bat um Direktzahlung der wegen der Kranken- und Pflegeversicherung erbrachten Leistungen an sie. Der Kläger erklärte dazu in einem Gespräch am 16. Oktober 2015 und nachfolgenden Schreiben, er sei vom früheren Sozialhilfeträger gezwungen worden, vom Standard- in den Basistarif seiner privaten Krankenversicherung zu wechseln, den jedoch die privaten K...

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