Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorarvertrag. Schiedsspruch. Anfechtungsklage. Vorverfahren. Gestaltungsspielraum. Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur. Zuschläge zum Orientierungswert. Ausdeckelung. Vorjahresanknüpfung. Besondere Förderungswürdigkeit. Honorarverteilungsquote. Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung. Asymmetrische Verteilung. Vertragsärztliche Versorgung. Honorarvertrag für 2009. Schiedsspruch des Landesschiedsamtes Hessen vom 30.10.2008

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Schiedsspruch nach § 89 SGB V unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht prüft, ob das Schiedsamt den von ihm zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der dem Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. Die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe und die zwingenden rechtlichen Vorgaben beachtet hat.

2. Bei der Entscheidung, ob es einen Zuschlag auf oder einen Abschlag von den Orientierungswerten nach § 87 Abs. 2e SGB V geben soll, sind die Vertragspartner nicht darauf beschränkt, die in § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V erwähnten regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Vielmehr können sie Zu- oder Abschläge auch auf andere Gründe stützen. Ein Beschluss des Bewertungsausschusses ist hierfür nicht erforderlich.

3. Das Schiedsamt muss bei seiner Entscheidung verbindliche Vorgaben nach Maßgabe des § 87c Abs. 4 SGB V beachten, es sei denn, die Vorgaben überschreiten offensichtlich den zu Grunde liegenden Regelungsauftrag.

 

Normenkette

SGB V § 87a Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Sätze 3, 5, § 87c Abs. 4, § 87d Abs. 2, §§ 89, 115b; SGG § 29 Abs. 2 Nr. 1, § 54 Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.2012; Aktenzeichen B 6 KA 21/11 R)

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger haben dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und tragen die Gerichtskosten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Umstritten sind einige Festsetzungen des Honorarvertrags für Vertragsärzte für das Jahr 2009 durch den Schiedsspruch des beklagten Landesschiedsamts vom 30. Oktober 2008.

Aufgrund der Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (BGBl. I 378 ≫GKV-WSG≪) fasste der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) in seiner 7. Sitzung vom 27. und 28. August 2008 grundlegende Beschlüsse zu Eckpunkten, zum Verfahren und den Inhalten hinsichtlich der Ausgestaltung der Vereinbarungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen, hinsichtlich der Rahmenvorgaben für die Festlegung der regionalen Euro-Gebührenordnungen sowie zu der Berechnung der arzt- bzw. praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2009. Weitere ergänzende Beschlüsse fasste der Bewertungsausschuss (BA) in seiner 164. Sitzung am 17. Oktober 2008 und der EBA in seiner 8. Sitzung vom 23. Oktober 2008 sowie in seiner 11. Sitzung am 17. März 2009.

Die Gesamtvertragsparteien führten im September und Oktober 2008 Verhandlungen über die Vereinbarung der Gesamtvergütung des Bezirks der Klägerin Ziffer 8 für den Vergütungszeitraum 2009. Aufgrund des Scheiterns der Verhandlungen beantragte die Klägerin Ziffer 8 bei dem Beklagten die Einleitung eines Schiedsamtsverfahrens. Zur Begründung ihres Antrags legte sie den Entwurf eines Honorarvertrages 2009 vor. Mit Schiedsspruch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2008 legte der Beklagte den Inhalt des Honorarvertrages gemäß §§ 87 a bis 87 c SGB V für das Jahr 2009 auf der Grundlage des vorgelegten Vertragsentwurfs mit den im Tenor des Schiedsspruchs aufgeführten Änderungen fest.

Der so geänderte Honorarvertrag (HVV 209) enthält u. a. folgende Regelungen:

Abschnitt I, Nr. 2.2:

“Die je Versicherten mit Wohnsitz in Hessen und Kasse abgerechnete Leistungsmenge wird mit der sich im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ergebenden Honorarverteilungsquote in Höhe von 0,9040 multipliziert.„

Abschnitt I, Nr. 7:

“Die Nichtausschöpfung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung 2009 ist bei der Vereinbarung des Folgejahres zu berücksichtigen.„

Abschnitt I, Nr. 9 “Einzelleistungen„:

“Die vorstehenden Regelungen gelten nicht für die unter Nummer 9.1 aufgeführten Leistungen, die mit Ausnahme der Ziffer 9.1.8 (siehe dort) zum festgelegten Einzelleistungspunktwert in Höhe von 0,035001 € vergütet werden.„

Im Folgenden ist unter Nummer 9.1 geregelt:

“Einzelleistungen u. a. gemäß Teil B. Nummer 1.3 (i.V.m. Teil H. 5) des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 und 23. Oktober 2008:

9.1.6 Belegärztliche (kurativ-stationäre)...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge