Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Darlehenstilgung durch Aufrechnung. Aufrechnungserklärung. kein gesonderter Verwaltungsakt zur Feststellung des Rückforderungsanspruchs. Frage der Begrenzung des Aufrechnungszeitraums
Orientierungssatz
1. Die Einforderung einer Darlehensrückzahlung auf der Grundlage von § 42a SGB 2 setzt nicht zwingend eine vorherige Festsetzung durch Bescheid voraus. Die Darlehensrückforderung ist bei fortdauerndem Leistungsbezug durch die gesetzliche Regelung des § 42a SGB 2 unmittelbar mit der Aufrechnungserklärung verbunden. Ein Erfordernis der vorherigen, eigenständigen Feststellung der Rückzahlungsforderung durch gesonderten Verwaltungsakt besteht nicht.
2. Zur Frage der zeitlichen Begrenzung des Aufrechnungsanspruchs bzw der analogen Anwendung des § 43 Abs 4 S 2 SGB 2.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 27. November 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufrechnung des Beklagten mit einem Darlehensrückzahlungsanspruch gegen der Klägerin zustehende laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die 1962 geborene Klägerin erhält, soweit ersichtlich, seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II von dem Beklagten beziehungsweise dessen Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich: Beklagter), wobei es immer wieder zu Konflikten wegen der Leistungshöhe und namentlich (auch) wegen der Berücksichtigung von Mehrbedarfen für den Erwerb von Körperpflegeprodukten kam. Hierzu verpflichtete das Sozialgericht Kassel den Beklagten durch Beschluss vom 29. Juli 2014 - S 10 AS 134/14 ER - im Wege der einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin vorläufig „Mehrbedarfsleistungen als Darlehen“ für Körperpflegeprodukte in Höhe von monatlich 120,- Euro ab dem 24. Juni 2014 zu bewilligen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 124 ff. der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Kassel zum genannten Verfahren Bezug genommen.
Der Beklagte setzte diesen Beschluss durch Bescheid vom 4. oder 5. August 2014 um. Auch in den folgenden Bewilligungszeiträumen erbrachte er unter Verweis auf den Beschluss des Sozialgerichts darlehensweise Leistungen wegen der geltend gemachten Mehrbedarfe für den Erwerb von Körperpflegeprodukten unter dem Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren (Darlehensbescheide des Beklagten über 120,- Euro monatlich für Körperpflegeprodukte vom 19. Januar 2015 für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015, vom 30. Juni 2015 für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015, vom 19. Januar 2016 für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 30. Juni 2016, vom 27. Juni 2016 für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016, vom 21. Dezember 2016 für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 sowie vom 1. August 2017 für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018; wegen des Bescheides vom 21. Dezember 2016 wird auf Bl. 106 der zur Klägerin geführten Leistungsakte des Beklagten - im Folgenden: LA -, wegen des Bescheides vom 1. August 2017 auf LA Bl. 249 Bezug genommen). Hinsichtlich der Rückzahlung wartete der Beklagten den Ausgang der laufenden sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren ab.
Nach umfangreichen medizinischen Ermittlungen und namentlich der Einholung medizinischer Sachverständigengutachten im Hauptsacheverfahren S 10 AS 389/12 wies das Sozialgericht Kassel mit Urteilen vom 17. November 2017 sowohl die Klage im genannten Verfahren - betreffend den Streitzeitraum von Januar 2011 bis Juni 2012 - als auch im Verfahren S 10 AS 547/14 - betreffend den Streitzeitraum von Juli bis Dezember 2014 - als unbegründet ab. Die Klägerin habe, so hat es zum Streitzeitraum Juli bis Dezember 2014 ausgeführt, keinen Anspruch auf die von ihr begehrten Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung, für Körperpflegeprodukte und eine Haushaltshilfe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 528 ff. beziehungsweise Bl. 66 ff. der beigezogenen Verfahrensakten des Sozialgerichts Kassel zu den Aktenzeichen S 10 AS 389/12 beziehungsweise S 10 AS 547/14 Bezug genommen. Berufung hat die Klägerin in beiden Verfahren nicht eingelegt.
Daran anknüpfend nahm der Beklagte nach Anhörung vom 21. November 2017 durch Änderungsbescheid vom 24. Januar 2018 die Bewilligung von Mehrbedarfen für kostenaufwändige Ernährung und für Körperpflegeprodukte für die Zukunft, also ab 1. Februar 2018, in vollem Umfang zurück. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2018 zurück; Klage erhob die Klägerin, soweit ersichtlich, nicht.
Die Rückzahlungsansprüche wegen der mit Rücksicht auf die Mehrbedarfe für Körperpflegeprodukte gewährten Darlehen, die er wegen des laufenden gerichtlichen Verfahrens um eine mögliche zuschussweise Gewährung entsprechender ...