Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung von Arzneimitteln nach Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung aus Altersgründen. öffentlich-rechtliche Schadensersatzpflicht gegenüber Krankenkasse. keine Herstellung eines Bezugs zum europäischen Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verordnung von Arzneimitteln nach Beendigung der Zulassung begründet gegenüber der verpflichteten gesetzlichen Krankenkasse eine öffentlich-rechtliche Schadensersatzpflicht, die diese unmittelbar gerichtlich geltend machen kann.
2. Ein Bezug zum europäischen Gemeinschaftsrecht wird weder unmittelbar durch Art. 13 EGV (aF) hergestellt, noch durch die Richtlinie 2000/78/EG vor Ablauf der Umsetzungsfrist (Anschluss an EUGH vom 23.9.2008 - C-427/06 (Bartsch), Slg 2008 I-7245; vom 19.1.2010 - C-555/07 (Kücükdeveci), NJW 2010, 427 = ZESAR 2010, 180).
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 23. April 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten auch des Verfahrens der Berufungsinstanz.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 3.520,31 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen Verordnung von Arzneimitteln durch Dr. med. C. IC. in der Zeit ab Oktober 2002, d.h. nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Zulassung in Höhe von 3.520,31 €.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der Beklagte ist der Nachlasspfleger des am xx. xxx 1934 geborenen und am xx. xxx 2008 verstorbenen Arztes Dr. med. C. IC.. Dieser war seit 1974 als Facharzt für innere Medizin mit Praxissitz in IC-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hausärztlich tätig gewesen.
Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses, wonach seine Zulassung wegen Vollendung des 68. Lebensjahres und mehr als zwanzigjähriger vertragsärztlicher Tätigkeit zum 30. September 2002 ende, hatte der Kläger den Berufungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen angerufen und auf die Unvereinbarkeit der Vorschrift über die Altersgrenze mit Verfassungsrecht und europäischem Recht hingewiesen. Der Berufungsausschuss wies den Widerspruch unter Hinweis auf die eindeutige Regelung des § 95 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zurück. Im Verlauf des im Januar 2003 dagegen anhängig gemachten Klageverfahrens hat der Kläger am 29. Dezember 2004 auf seine ärztliche Approbation verzichtet und nur noch die Feststellung begehrt, die Zulassung sei zu Unrecht beendet worden.
Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, ihm die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit über September 2002 hinaus zu gestatten, ist in beiden Rechtszügen erfolglos geblieben (Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2003, Az.: S 29 KA 51/03 ER, und des Hessischen Landessozialgerichts ≪HLSG≫ vom 15. Dezember 2004, Az.: L 7 KA 412/03 ER).
Auch in der Hauptsache haben Klage und Berufung keinen Erfolg gehabt. Die bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main zunächst als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene und nach der Rückgabe seiner Approbation durch Dr. med. IC. in eine Fortsetzungsfeststellungsklage geänderte Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15. Juni 2005, Az.: S 5/29 KA 89/03 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das HLSG mit Urteil vom 15. März 2006, Az.: L 4 KA 32/05 zurückgewiesen. Auf Nichtzulassungsbeschwerde des Dr. med. IC. hat das Bundessozialgericht (BSG) den Rechtsstreit mit Beschluss vom 29. November 2006, Az.: B 6 KA 34/06 B, wegen einer Besetzungsrüge an das HLSG zurückverwiesen. Für das danach wieder eröffnete Berufungsverfahren hat das BSG darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht Zweifel daran bestehen, ob der Kläger, das für die Fortführung des Rechtsstreits erforderlich Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) besitze. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse könne sich nicht daraus ergeben, dass die Krankenkassen gegen ihn Regressansprüche geltend machen, weil er nach der Beendigung seiner Tätigkeit vertragsärztliche Verordnungen ausgestellt habe, die von den betroffenen Patienten eingelöst worden seien. Nach der einer Auslegung nicht zugänglichen Bestimmung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V habe die vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers mit dem 30. September 2002 geendet. Er habe dies selbst so gesehen und konsequenterweise im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Entscheidung erstrebt, wonach er bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vertragsärztlich hätte tätig sein können. Nachdem dieses Verfahren für ihn ohne Erfolg geendet habe, stehe fest, dass der Kläger nicht mehr vertragsärztlich habe tätig sein dürfen. Er hätte deshalb vertragsärztliche Verordnungen allein wegen des Fehlens des vertragsärztlichen Status nicht ausstellen dürfen und müsse den dadurch den Krankenkassen entstandenen Schaden ggf. ersetzen. Unter dem Gesichtspunkt des Fortsetzungsfeststellungsinteresses werde das HLSG zu erwägen haben, ob der Kläger tatsächlich für die Zeit vom 1. Ok...