Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenzahnärztliche Vereinigung. Antrag auf sachlich-rechnerische Berichtigung durch Krankenkasse. Entscheidung durch Verwaltungsakt. rechtsverbindliche Regelung gegenüber Vertragszahnarzt und Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Eine Kassenzahnärztliche Vereinigung ist befugt, über Anträge auf sachlich-rechnerische Berichtigung einer Krankenkasse dieser gegenüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

2. Bei der Feststellung einer sachlich-rechnerischen Berichtigung durch eine Kassenzahnärztliche Vereinigung handelt es sich um eine rechtsverbindliche Regelung nicht nur gegenüber dem Vertragszahnarzt, sondern auch gegenüber der beteiligten Krankenkasse (vgl zB BSG vom 10.5.1995 - 6 RKa 7/94 = BSGE 76, 113 = SozR 3-5545 § 19 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.10.2011; Aktenzeichen B 6 KA 30/10 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. September 2009 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Befugnis der Beklagten, gegenüber der klagenden Krankenkasse Entscheidungen über die Berichtigung zähnärztlicher Leistungen im Wege des Verwaltungsakts vorzunehmen.

Die Klägerin ist eine Ersatzkasse. Sie beantragte bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen in 56 Behandlungsfällen die Berichtigung verschiedener Einzelleistungen aus dem Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen für das Quartal IV/06. Die Beklagte erließ einen Bescheid vom 20. August 2007, den sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versah und in dem sie dem Antrag der Klägerin in einem Umfang von 611,05 € stattgab, einen Teil der Einzelabsetzungen jedoch ablehnte. Die Klägerin legte hiergegen am 28. August 2007 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2007, der Klägerin zugegangen am 11. Oktober 2007, als unbegründet zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am Montag, dem 12. November 2007 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben und schließlich noch die Aufhebung der angegriffenen Bescheide sowie Zahlung eines Betrags von 283,08 € nebst Zinsen begehrt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. September 2009 die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die Bescheide seien bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte nicht berechtigt sei, gegenüber einer Krankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts, mit der sie im Gleichordnungsverhältnis stehe, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Soweit ausnahmsweise in solchen Fällen der Erlass eines Verwaltungsakts zulässig sei, bedürfe es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, die vorliegend nicht ersichtlich sei. Im Übrigen - hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung von 283,08 € nebst Zinsen - hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Berufung der Beklagten zugelassen.

Gegen das ihr am 13. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Oktober 2009 Berufung eingelegt.

Sie meint, eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass von Verwaltungsakten gegenüber den Krankenkassen ergebe sich aus § 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Im Bereich der Abrechnungsprüfung werde sie durch diese Vorschrift ermächtigt, Feststellungen gegenüber den Vertragszahnärzten über die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen zu treffen. Zwingend gälten diese Entscheidungen damit aber auch gegenüber den Krankenkassen. Denn die Feststellungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) regelten auf der einen Seite den Vergütungsanspruch des Vertragszahnarztes und auf der anderen Seite die Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen. Es sei daher nicht möglich, dass die Entscheidung der KZÄV gegenüber den Krankenkassen einen anderen Regelungsgehalt aufweise als gegenüber den Vertragszahnärzten; werde dem Zahnarzt eine Vergütung zugesprochen, werde zwangsläufig die Krankenkasse verpflichtet, dieser Vergütung nachzukommen. Wenn aber gegenüber dem Vertragszahnarzt eine Verwaltungsaktsbefugnis bestehe, müsse ein Über-Unterordnungsverhältnis auch zwischen den gleichgestellten Behörden fingiert werden, da § 106a Abs. 2 SGB V der KZÄV die Entscheidungskompetenz übertrage. Die Krankenkassen hätten hinsichtlich der Entscheidungen und Prüfungen, die seitens der KZÄV durchgeführt würden, kein Mitspracherecht, sondern seien lediglich berechtigt, eine Überprüfung der Abrechnung zu beantragen. Dies unterstreiche die Bindungswirkung der Entscheidung gegenüber den Krankenkassen. Die Regelungen in §§ 17,21 EKV-Z ließen erkennen, dass die von der KZÄV gegenüber den Vertragszahnärzten getroffenen Regelungen verbindliche Rechtsfolgen ebenso gegenüber den Krankenkassen hätten. Auch die Regelungen über die Wirtschaftlichkeitsprüfungen, bei denen anerkanntermaßen eine Verwaltungsaktsbefugnis der Wirtschaftlichkeitsgremien gegenüber den Krankenkassen bestehe, zeigten, da...

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