Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswert einer Arbeitsbescheinigung aus Kasachstan
Leitsatz (amtlich)
Einer im Mai ausgestellten Arbeitsbescheinigung über in Kasachstan von 1971 bis 1990 zurückgelegte Beitrags- und Beschäftigungszeiten (mit aufgelisteten Krankheitszeiten, unbezahltem Urlaub und sonstigen Fehlzeiten), die - nach dem Inhalt der Bescheinigung - archivierten Tabellen über Arbeitszeiterfassung (Lohnzahlungslisten) entnommen sein sollen und die vom kasachischen Aussteller in ein für Zwecke der deutschen Rentenversicherung klägerseits vorgegebenes Muster übertragen wurden, kommt kein höherer Beweiswert zu als der Eintragung dieser Zeiten im russischen Arbeitsbuch (Ergänzung von BSG vom 21.4.1982 - 4 RJ 33/81; Abgrenzung zu LSG Essen vom 8.10.1999 - L 14 RJ 27/99).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialge-richts Fulda vom 18. Oktober 2002 - S 2b RJ 160/01 - abge-ändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Beteiligten haben für das Klage- und Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht eine höhere Altersrente. Dabei geht es darum, ob die in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis 11. Oktober 1990 in Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten ohne wertmäßige Kürzung um 1/6 der Entgeltpunkte anzurechnen sind.
Der ... 1937 geborene Kläger ist am 25. Oktober 1990 aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Er besitzt den Vertriebenenausweis "A".
In der ehemaligen Sowjetunion arbeitete der Kläger von 1953 bis 10. November 1956 auf einer Kolchose, verrichtete anschließend bis 22. Oktober 1958 Wehrdienst und war danach wieder als Arbeiter berufstätig. Das am 5. Dezember 1959 ausgestellte Arbeitsbuch enthält Angaben über die Berufstätigkeit des Klägers vom 2. Dezember 1959 (Einstellung als Tischlerlehrling) bis zum 04.09.1990 (Kündigung i.V.m. der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland). Der Trust "Oblremstroi" hat dem Kläger am 29. Dezember 1991 schriftlich bestätigt, er habe dort vom 30. November 1960 bis zum 11. Oktober 1990 tatsächlich als Brigadier der Reparatur- und Bauabteilung gearbeitet.
Mit Feststellungsbescheid vom 13. August 1999 erkannte die Beklagte die vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Zeiten als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) an. Mit weiterem Bescheid vom 23. Dezember 1999 bewilligte sie dem Kläger ab 1. März 2000 eine Altersrente für langjährige Versicherte nach § 36 Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Der Kläger erhob dagegen am 20. Januar 2000 u.a. wegen Absenkung der Entgeltpunkte nach § 22 Fremdrentengesetz (FRG) Widerspruch. Mit weiterem Schreiben vom 3. August 2000 beantragte er u.a. die ungekürzte Anrechnung seiner in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten. Dazu übersandte er eine Bescheinigung der Firma "K" vom 5. Mai 2000 in A (Republik Kasachstan). Diese bezieht sich auf die Zeit vom 1. Januar 1971 bis zum 11. Oktober 1990 und sie enthält, bezogen auf einzelne Monate dieses Zeitraumes, Angaben zu Ausfallzeiten wegen Krankheit (Erziehungsurlaub), unbezahlten Urlaub und Sonstiges; die Daten seien der Evidenztabelle der Arbeitsnutzung im Archiv entnommen worden. Die Beklagte erteilte am 25. September 2000 dem Kläger den Bescheid, eine Anrechnung der in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten ohne wertmäßige Kürzung der Entgeltpunkte um 1/6 sei aufgrund der mit Antrag vom 3. August 2000 eingereichten Unterlagen nicht möglich. Eine Rücknahme des Feststellungsbescheides vom 13. August 1999 und des Rentenbescheides vom 23. Dezember 1999, mit denen die in ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten rentenversicherungsrechtlichen Zeiten vom 8.1.1954 bis 11.10.1990 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach den Vorschriften des FRG anerkannt worden seien, könne nicht erfolgen. Die in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten seien aufgrund des sowjetischen Arbeitsbuches als glaubhaft gemacht anerkannt worden (Hinweis auf das BSG Urteil vom 20. August 1974, Az.: 4 RJ 241/73). Auch der vorgelegten Bescheinigung vom 5. Mai 2000, in der Krankheitszeiten aufgelistet seien, komme kein höherer Beweiswert als dem russischen Arbeitsbuch zu, denn nach russischem Recht seien Arbeitsunterbrechungen, u.a. bei der Festsetzung der sog. "allgemeinen Beschäftigungsdauer", wie die eigentliche Arbeitszeit berücksichtigt. Während Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seien keine Beiträge zum sowjetischen Sozialversicherungssystem zu entrichten gewesen, ein Anspruch auf Lohnfortzahlung habe ebenfalls nicht bestanden. Für den Nachweis einer Beitragsentrichtung gemäß § 15 FRG komme es aber gerade auf die Beitragsleistung zu einem ausländischen System der Rentenversicherung an; es genüge nicht, dass dieses ausländische System die beitragslosen Zeiten zur Begründung eines Rentenanspruchs heranziehe. Auch würden aus der ehemaligen Sowjetunion in letzter Zeit Bescheinigungen früherer Arbeitgeber vorg...