Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis von nach dem FRG in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigenden sowjetischen Beitragszeiten durch Angaben des Versicherten
Leitsatz (amtlich)
Es muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass Unterbrechungen in der Beitragsentrichtung (zB durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten, Arbeitslosigkeit usw) nicht eingetreten sind. Allein aufgrund der Angaben des Versicherten können in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegte Versicherungszeiten nicht als nachgewiesene Beitragszeiten zu 6/6 angerechnet werden.
Normenkette
FRG § 22 Abs. 1, 3, § 1 Buchst. a, § 4 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1-2, § 26 Sätze 1-2; SGB VI § 46 Abs. 2a, § 58 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Mai 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist (nur noch) eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) in Höhe von 6/6 anstelle von bisher 5/6 für die Beschäftigungen des Klägers in der Zeit vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 und vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990.
Der Kläger wurde 1949 im Gebiet der ehemaligen UdSSR geboren. Vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 war er in der R... Bauxitgrube und vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990 beim Weißrussischen staatlichen Konzern für Erdöl und Chemie Offene AG „B...“ tätig. Zum 2. September 1990 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist anerkannter Spätaussiedler und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 16. Februar 2000 erließ die Beklagte einen Vormerkungsbescheid über rentenrechtliche Zeiten des Klägers. Gleichzeitig erstellte sie eine (unverbindliche) Rentenauskunft, aus der u.a. hervorging, dass die Beschäftigungszeiten des Klägers in der ehemaligen UdSSR nach dem FRG bewertet würden. Die Berücksichtigung erfolge jedoch nur zu 5/6, da die Zeiten lediglich glaubhaft gemacht und nicht nachgewiesen worden seien. Nachdem die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Vormerkungsbescheid mit Bescheid vom 14. September 2000 zurückwies, erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kiel (S 4 KN 35/00). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2002 verpflichtete sich die Beklagte, u.a. weitere rentenrechtliche Zeiten des Klägers zu überprüfen. Zudem wies sie u.a. darauf hin, dass nur solche Zeiten der Beschäftigung voll anerkannt werden könnten, die auch voll nachgewiesen worden seien. In den Arbeitsbüchern aus der UdSSR werde immer nur der Beginn und das Ende des Arbeitsverhältnisses bescheinigt, nicht ergebe sich aus diesen Arbeitsbüchern, ob der Versicherte in der Zwischenzeit arbeitsunfähig krank gewesen sei oder aus anderen Gründen das Arbeitsverhältnis unterbrochen gewesen sei. Erst wenn Nachweise der früheren Arbeitgeber vorlägen, dass das Arbeitsverhältnis in bestimmten Zeiten durch Arbeitsunfähigkeitszeiten oder eben gar nicht durch Arbeitsunfähigkeitszeiten unterbrochen worden sei, könne eventuell eine Vollanerkennung infrage kommen. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Am 7. Mai 2004 erließ die Beklagte in Ausführung des Vergleichs vom 17. Juli 2002 einen weiteren Vormerkungsbescheid über rentenrechtliche Zeiten. Auch dieser Bescheid enthielt eine (unverbindliche) Rentenauskunft.
Am 22. Juli 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 1. Oktober 2014. Mit dem Rentenantrag reichte er u.a. Arbeitsbescheinigungen seiner ehemaligen Arbeitgeber ein. Ausweislich der Übersetzungen aus der russischen Sprache war der Kläger vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 bei der R...-Bauxitgrube und vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990 beim Weißrussischen staatlichen Konzern für Erdöl und Chemie Offene AG „B...“ ununterbrochen beschäftigt (siehe Bl. 38 und 40 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 30. September 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Oktober 2014 eine Regelaltersrente. Ausweislich der Anlage 10 des Rentenbescheids erfolgte die Anrechnung der FRG-Zeiten in den streitigen Zeiträumen lediglich zu 5/6. Die zu 5/6 angerechneten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten könnten nicht voll berücksichtigt werden, weil sie nicht nachgewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht worden seien.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid, mit dem er sich u.a. gegen die nicht vollständige Berücksichtigung der FRG-Zeiten in den streitigen Zeiträumen wandte. Er habe Bestätigungen über die ununterbrochenen Arbeitsverhältnisse eingereicht. Eine Berücksichtigung zu lediglich 5/6 komme mithin nicht in Betracht.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2015 erfolgte eine Rentenanpassung zum 1. Juli 2015. Auch hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 2015 Widerspruch. Er könne de...