Entscheidung zur Frage, wann ein Tatbestand des § 1 BVG bei ärztlichen Kunstfehlern vorliegt.
Leitsatz (amtlich)
Eine ursächlicher Zusammenhang zwischen militärischem Dienst und gesundheitsschädigenden Folgen einer Operation ist dann zu verneinen, wenn eine lebensbedrohende Krankheit den Begriff notwendig gemacht hat und dieser nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft rechtzeitig und sachgemäß durchgeführt worden ist.
Normenkette
BVG §§ 1, 38
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.04.1970) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 7. April 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die in der Tschechoslowakei wohnhafte Klägerin ist die Witwe des am … 1906 geborenen und am 29. Oktober 1943 in dem Reservelazarett D. nach einer Operation wegen einer Darmverschlingung an Herz- und Kreislaufversagen verstorbenen J. T., der am 15. Mai 1941 zum Wehrdienst einberufen worden war und ab 17. Februar 1943 im Heimatkriegsgebiet bei der Luftwaffe seinen Wehrdienst geleistet hatte.
Am 30. Juli 1964 beantragte sie Hinterbliebenenrente, die nach Anhörung des Reg. Med. Rats S. mit Bescheid vom 29. Februar 1968 abgelehnt worden ist, da die Operation wegen des Darmverschlusses nicht auf schädige Einflüsse des Kriegsdienstes zurückzuführen sei. Davon müsse ausgegangen werden, da die Ursache des Todes sich nicht habe feststellen lassen. Wie sich aus den früheren Rentenbescheiden ergebe, sei bereits ab 1943 keine Rente nach dem Reichsversorgungsgesetz (RVG), sondern eine Invaliden-Witwen- und Waisenrente bezogen worden. Daraus sei ebenfalls zu schliessen, dass der Tod des Ehemannes nicht durch schädigende Ereignisse während des Wehrdienstes hervorgerufen worden sei.
Der auf den Widerspruch ergangene ablehnende Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1968 führte noch aus, nach der Art der Erkrankung könne nicht angenommen werden, dass äussere Einflüsse an deren Entstehung wesentlich mitgewirkt hätten.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat die Klägerin unter Hinweis auf die Todesbescheinigung vom 29. Oktober 1943, das Schreiben der Verwaltung des Reservelazaretts D. vom 30. Oktober 1943 und den Bescheid der Landesversicherungsanstalt S. vom 28. März 1944 vorgetragen, falls bei ihrem Ehemann die richtige Diagnose rechtzeitig gestellt und gleich die Operation durchgeführt worden wäre, hätte er trotz des Darmverschlusses gerettet werden können. Das sei in dem Kriegsjahr 1943 nicht der Fall gewesen, wobei weiter hinzukäme, dass die anfänglichen Beschwerden nicht richtig gedeutet worden seien.
Demgegenüber hat der Beklagte mit Ob. Reg. Med. Rat W. ausgeführt, die Diagnose Darmverschlingung oder Darmverschluss, stelle lediglich die Benennung eines Symptoms dar, das überaus zahlreiche Ursachen habe könne. Da unmittelbar vor dem Tode und auch in den zwei Jahren davor keine ernstlichen Erkrankungen durchgemacht worden seien, müsse es sich 1943 offensichtlich um ein akutes Ereignis gehandelt haben, dessen Ursachen nicht mehr zu späten Einweisung in das Lazarett könne nicht gesprochen werden, noch dazu 1943 die Betreuung der Soldaten im Heimatgebiet normal gewesen sei. Ein akuter Darmverschluss sei stets ein lebensbedrohliches Krankheitsbild.
Mit Urteil vom 7. April 1970 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Klägerin stehe keine Hinterbliebenenrente zu, da ihr Ehemann nicht an einem Leiden verstorben sei, das als Folge einer Schädigung anerkannt worden sei und auch nicht an einem Leiden, das mit Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einflüsse im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz – BVG– zurückgeführt werden könne.
Gegen das an die Klägerin mittels eingeschriebenen Briefes am 1. Juli 1970 abgesandte Urteil ist die Berufung am 13. August 1970 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung sie vorträgt, da ihr Ehemann als Soldat verstorben sei, müsse ihr eine Hinterbliebenenrente gewährt werden.
Sie beantragt sinngemäss,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 7. April 1970 und den Bescheid vom 19. Februar 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 1968 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Versorgungsakte mit der Grundlisten-Nr. … hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die im Einverständnis mit den Beteiligten gemäss § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG– ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden konnte, ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 87 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 29. Februar 1968, der in de...