Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderungsanspruch. Beginn der Verjährung. Verjährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Der Rückforderungsanspruch entsteht mit der objektiven Möglichkeit der Rückforderung nach bindender Feststellung der Überzahlung. In diesem Zeitpunkt beginnt zugleich die Verjährung des Rückforderungsanspruchs.
Die Verjährungsfrist beträgt bei Rückforderungsansprüchen entsprechend § 29 Abs. 3 RVO a.F. vier Jahre.
Normenkette
RVO § 29 Abs. 3 a.F., § 1301
Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 12.11.1979) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. November 1979 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung eines Betrages von 4.650,– DM überzahlter wiederaufgelebter Witwenrente streitig.
Die am … 1906 geborene Klägerin bezog seit dem 1. Aug. 1955 auf Grund eines Bescheides der Beklagten vom 4. April 1956 Witwenrente aus der Versicherung des H. A.. Am 4. August 1956 ging die Klägerin mit H. H. eine neue Ehe ein. Diese Ehe ist am 19. April 1966 aus Verschulden beider Parteien bei überwiegendem Verschulden des Ehemannes geschieden worden.
Am 14. Juni 1966 beantragte die Klägerin das Wiederaufleben der Witwenrente aus der Versicherung des H. A.. Im Anschluß an eine Anhörung der Klägerin heißt es in einem Vermerk in der Rentenakte vom 14. Februar 1967 in zwei Jahren erscheine eine Kontrolle angezeigt (Prüfung, ob nunmehr ein Unterhaltsanspruch nach den Vorschriften des Ehegesetzes besteht – §§ 58/59 EheG 46). Zur Zeit bestehe kein nach § 1291 Abs. 2, 2. Halbsatz Reichsversicherungsordnung (RVO) anzurechnender Unterhaltsanspruch.
Durch Bescheid vom 23. März 1967 gewährte die Beklagte wiederaufgelebte Witwenrente ab 1. Mai 1966. Der Bescheid enthält unter Hinweis auf § 1291 Abs. 2 RVO folgenden Zusatz:
„Wir gehen davon aus, daß Ihnen derartige Ansprüche z.Zt. nicht zustehen. Sollten Sie später Ansprüche erwerben, sind sie verpflichtet, der Landesversicherungsanstalt Hessen hiervon Mitteilung zu geben. Soweit Unterhaltsansprüche gegen Ihren letzten Ehemann in Frage stehen, haben Sie Veränderungen in den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen, die in diesem Verfahren zugrunde gelegt wurden, anzuzeigen. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß Sie keine Tätigkeit mehr ausüben oder einer Beschäftigung mit wesentlich geringerem Einkommen nachgehen oder daß Ihr geschiedener Ehemann neben seiner Rente noch andere wesentliche Einkommen hat. Entsprechende Unterlagen sind beizufügen.
Wenn Sie dieser Anzeigepflicht nicht nachkommen, müßten wir etwaige dadurch überzahlte Rentenbeträge von Ihnen zurückfordern.”
Am 17. Mai 1968 wurde im Anschluß an eine Unterhaltsklage der Klägerin gegen H. H. ein dahingehender gerichtlicher Vergleich geschlossen, daß sich H. H. mit Wirkung ab 1. Mai 1968 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages in Höhe von 150,00 DM verpflichtete. Dieser Verpflichtung kam H. in der Folgezeit auch nach. Von dieser Unterhaltszahlungsverpflichtung gab die Klägerin, die aufgrund eines Bewilligungsbescheids vom 15. Januar 1968 ab 30. Oktober 1967 Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten hatte, dem Sozialamt Kenntnis. Daraufhin erteilte der Kreisausschuß des Landkreises B. am 16. Juli 1968 unter Hinweis auf die monatliche Unterhaltszahlung einen Einstellungsbescheid, wonach Hilfe zum Lebensunterhalt über den 30. April 1968 hinaus nicht weitergewährt wurde. Der Beklagte machte die Klägerin vom Abschluß des Unterhaltsvergleichs sowie den laufenden Unterhaltszahlungen keine Mitteilung.
Ende Oktober 1970 veranlaßte die Beklagte eine Anhörung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin über den Bürgermeister der Gemeinde H. Dabei wurden die monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 150,– DM angegeben. Nach Beiziehung der Akten des Amtsgerichts erteilte die Beklagte der Klägerin am 11. Januar 1971 einen „Anrechnungsbescheid”, durch den ab 1. Mai 1968 auf die wiederaufgelebte Witwenrente ein Unterhaltsanspruch von monatlich 150,– DM angerechnet wurde. Gleichzeitig wurde für die Zeit vom 1. Mai 1968 bis zum 30. November 1970 eine Überzahlung in Höhe von 4.650,– DM festgestellt. Der Bescheid wurde am 14. Januar 1971 zur Post gegeben.
Im Mai und November 1971 sowie im März 1973 erfolgte eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin.
Im Oktober 1973 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Januar 1971 Klage. Durch Urteil vom 19. August 1974 wies das Sozialgericht Gießen die Klage mit der Begründung ab, die Klagefrist sei versäumt. Berufung und Revision der Klägerin blieben erfolglos.
Im Juni 1975 wurden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin wiederum überprüft. Im Anschluß an eine weitere Überprüfung im Juli 1977 erteilte die Beklagte der Klägerin am 13. Juli 1977 einen Rückforderungsbescheid, mit dem...