Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 24.01.2001; Aktenzeichen S 4 U 878/98) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 2001 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger wegen einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 2108, 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab 1. November 2000 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu zahlen hat.
Der 1953 geborene Kläger hat nach der Hauptschule eine landwirtschaftliche Lehre absolviert und war seit 1975 als selbstständiger Landwirt tätig. Zum 1. November 2000 hat der Kläger seinen Hof an seinen Sohn übergeben.
Im Januar 1994 beantragte der Kläger die Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Erkrankung als BK. Nach seinen Angaben hat er schon während der Schulzeit seit dem Tod seines Vaters im März 1966 in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Er verrichtete sämtliche üblichen landwirtschaftlichen Arbeiten wie Stall- und Fütterungsarbeiten, Ernte- und Bestellungsarbeiten auf dem Feld und in den Wirtschaftsgebäuden und hatte außerdem den Schlepper zu fahren. Er gab an, erste Wirbelsäulenbeschwerden im LWS-Bereich seien bei ihm bereits 1969/1970 aufgetreten. Anhaltende Beschwerden seien anfangs gelegentlich, später in kürzeren Abständen aufgetreten. Ambulante Behandlungen wegen Rückenschmerzen seien im 17. bzw. 18. Lebensjahr erfolgt. Der Kläger fügte seinem Antrag Berichte bei der Klinik R., W., des Chirurgen und Orthopäden Dr. K. und der W-Klinik W. sowie einen Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 30. August 1989,in dem als Behinderungen „degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenoperation” mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt wurden. In den Arztberichten wird ein Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation L4/5 rechts im Dezember 1982 und L5/S1 rechts am 19. Januar 1989 beschrieben.
Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und ließ gutachterliche Stellungnahmen des Radiologen Dr. M. vom 27. September 1994 und des Orthopäden Dr. R., Arzt für Orthopädie, Klinik H., vom 20. Oktober 1994 erstellen. Dr. R. führte aus, die Röntgenaufnahmen der LWS aus dem Jahre 1994 ergäben eine selektive Bandscheibenraumverschmälerung L4/5 und etwas geringer ausgeprägt L5/S1. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger seit dem 15. Lebensjahr schwerste körperliche Arbeiten in der Landwirtschaft habe verrichten müssen, das Heben und Tragen schwerer Lasten über längere Zeiträume und das Schlepperfahren zu seinen bevorzugten Aufgaben gehört habe, dass bereits sehr frühzeitig mit etwa 16 Jahren glaubhafte Wirbelsäulenbeschwerden, insbesondere Kreuzschmerzen mit Wurzelreizerscheinungen aufgetreten seien und in zwei Etagen Bandscheibenschäden nach vorangegangenen Vorfällen operativ behandelt worden seien, sei das Vorliegen einer BK nicht zu widerlegen. Zumindest scheine es im Rahmen einer anlagebedingten Minderwertigkeit bindegewebiger Strukturen, insbesondere betreffend den Faserknorpel und die knorplig knöchernen Strukturen von Deck- und Grundplatten der Wirbelsäule, unter dem Einfluss der schweren körperlichen Belastung zu einem vorzeitigen Schaden gekommen zu sein. Eine Arbeitsplatzanalyse sei notwendig.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten erstellte unter Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers im landwirtschaftlichen Betrieb von 1966 bis 1994 eine Arbeitsplatzanalyse und kam unter Anwendung des Bewertungsverfahrens nach Hartung und Dupuis zu dem Ergebnis, dass nur 53,4 % der Mindestbelastungsdosis für eine BK-Nr. 2110 und 16,1 % der Mindestbelastungsdosis für eine BK der Nr. 2108 und somit nur ca. 70 % der erforderlichen Mindestbelastungsdosis gegeben sei.
Aus gewerbeärztlicher Sicht stimmte der Landesgewerbearzt dem angewandten Modell zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zu und empfahl eine medizinische Begutachtung. Nach dem angewandten Modell würden zu hohe Lastgewichte und/oder zuviele Hebe- und Tragevorgänge gefordert. Das Verfahren nach Jäger/Luttmann sei sachgerechter.
Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 1996 erstattete Dr. R. schließlich das Gutachten vom 17. Oktober 1996. Unter Auswertung röntgenologischer, kernspintomographischer, computertomographischer und myelographischer Aufnahmen führte Dr. R. aus, bei dem Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in den Segmenten L4/5 und L5/S1 vor, die nicht mit Wahrscheinlichkeit beruflich, sondern anlagebedingt verursacht sei. Überwiegende medizinische Gründe sprächen nicht für eine berufliche Verursachung durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch Ganzkörperschwingungen. Gegen eine BK sprächen der frühe Beginn der Beschwerden, das Ergebnis der Arbeitsplatzanal...