Entscheidungsstichwort (Thema)
Abhängige Beschäftigung oder Selbstständikeit des „Seniorchefs” nach Abgabe des Betriebs an den Sohn. Maßgeblichkeit der tatsächlichen Eingliederung und Weisungsabhängigkeit. Bedeutung anderer Gesichtspunkte wie fehlende anderweitige Arbeit und festes Monatsentgelt
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitet der frühere Betriebsinhaber weisungsfrei und ohne Eingliederung in die Arbeitsorganisation seines bisherigen Betriebs für das Unternehmen weiter, so liegt kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
2. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wird nicht allein dadurch begründet. dass der Mitarbeiter eine feste Vergütung erhält, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt und bei Bedarf das Büro des Unternehmens benutzt.
Normenkette
SGB IV a.F. § 7 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin betreibt ein Baugeschäft. Inhaber des Unternehmens war früher der Beigeladene zu 1). Zum 4. Januar 1994 übergab er den Betrieb an seinen Sohn. Aus Anlass der Betriebsübergabe schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) am 28. Dezember 1993 einen freien Mitarbeitervertrag. Danach sollte der Beigeladene zu 1) für die Klägerin Kalkulationsarbeiten, Kundenbetreuung und Beratung sowie Auftragsbearbeitung übernehmen. Hierfür wurde eine Vergütung von 2.000,00 DM monatlich zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer vereinbart. Nach § 3 des Vertrags stand der Klägerin eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Beigeladenen zu 1) aufgrund dieses Vertrages zu. Dem Beigeladenen zu 1) wurde gleichzeitig eine Weisungsbefugnis gegenüber Arbeiter und Angestellten der Klägerin eingeräumt. Nach § 4 des Vertrags teilte der Beigeladene zu 1) seine Arbeitszeit nach freiem, pflichtgemäßem Ermessen ein und war an eine regelmäßige Arbeitszeit nicht gebunden. Dem Beigeladenen zu 1) wurde das Recht eingeräumt, Nebentätigkeiten gleich welcher Art auszuüben, er verpflichtete sich jedoch, während der Dauer des Vertragsverhältnisses Tätigkeiten in anderen Bauunternehmen oder vergleichbaren Branchen zu unterlassen.
Aufgrund einer Betriebsprüfung in der Zeit vom 28. Januar bis 25. Mai 1998 nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) stellte die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 17. Juni 1998 fest, dass der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 4. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 in seiner Tätigkeit als Berater versicherungspflichtig gewesen sei, und forderte für diesen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 28.710,94 DM zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nach. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) erfülle die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wegen seiner vertraglichen Weisungsgebundenheit und seiner Eingliederung in den Betrieb der Klägerin.
Die Klägerin erhob am 25. Juni 1998 Widerspruch. Sie machte geltend, der Beigeladene zu 1) sei nicht als Arbeitnehmer, sondern als freier Mitarbeiter tätig geworden. Der Beigeladene zu 1) sei in der Einteilung der Arbeitszeit völlig frei gewesen. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin habe nicht vorgelegen, auch habe keine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Inhaber der Klägerin bestanden. Die vertraglich festgelegte Weisungsgebundenheit sei so auszulegen, dass der Inhaber der Klägerin damit lediglich das Recht gehabt habe, die vertragsgemäße Erfüllung der dem Beigeladenen zu 1) obliegenden Pflichten zu prüfen; eine Weisungsgebundenheit sei nie gewollt und auch nicht ausgeübt worden. Der Beigeladene zu 1) habe ein eigenes Gewerbe angemeldet gehabt und sei auch für andere Auftraggeber tätig geworden. Der Beigeladene zu 1) habe über ein eigenes Büro verfügt und die von ihm bearbeiteten Aufträge allein und selbständig erledigt. Als freier Mitarbeiter habe er über keinen Kündigungsschutz verfügt, keine Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall erhalten und auch kein Urlaubsanspruch gehabt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar sprächen einige Indizien für eine selbständige Tätigkeit, jedoch seien die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hindeutenden Merkmale insgesamt überwiegend. Die von dem Beigeladenen zu 1) ausgeübten Tätigkeiten seien nach ihrer Eigenart Bestandteil der betrieblichen Organisation der Klägerin gewesen, in deren Betriebsabläufe der Beigeladenen zu 1) letztlich betriebsorganisatorisch eingeplant gewesen sei, auch wenn ihm ein gewisses Maß an zeitlichem Freiraum zugestanden habe. Jedoch habe der Beigeladene zu 1) einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin unterlegen. Ein unternehmerisches Risiko habe der Beigeladene zu 1) nicht gehabt, denn er habe weder eigene Betriebsmittel noch eigenes Betriebskapital eingesetzt und eine feste monatliche Vergütung erhalten. Eine Tätigkeit des Beigeladenen...