Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütung von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System. Verlegung in ein anderes Krankenhaus
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der Verlegung in § 1 Abs 1 Satz 4 Fallpauschalenvereinbarung (juris: KFPVbg 2008). Eine Verlegung im Sinne von § 1 Abs 1 Satz 4 Fallpauschalenvereinbarung liegt immer vor, wenn einer Entlassung aus einem Krankenhaus binnen 24 Stunden die Wiederaufnahme in einem anderen Krankenhaus folgt. Der Begriff der Verlegung ist für den Bereich der Fallpauschalenvergütung damit allein durch ein zeitliches Moment bestimmt. Die Vorschrift knüpft nicht an den allgemeinen Sprachgebrauch an, der unter einer Verlegung ein zielgerichtetes Tun versteht.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. Dezember 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.420,28 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Verlegungsabschlag von einer Krankenhausabrechnung.
Die Klägerin ist Trägerin der C.-Kliniken in A-Stadt, eines zugelassenen Plankrankenhaus. Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte L. (im Folgenden: L) befand sich in der Zeit vom 22. Oktober 2008 - Aufnahme um 10.30 Uhr - bis zum 24. Oktober 2008 in der Klinik für Neurologie der Klägerin zur vollstationären Behandlung wegen einer Nerveninfektion. Vorher - in der Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 21. Oktober 2008 - war L an insgesamt 14 Tagen in der psychiatrischen Tagesklinik der Klägerin mit der Hauptdiagnose F32.2 (Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome) behandelt worden. Die teilstationäre Behandlung wurde von der Klägerin mit Rechnung vom 27. Oktober 2008 über Tagespflegesätze nach der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) abgerechnet und von der Beklagten vollständig bezahlt.
Mit Rechnung vom 3. November 2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Behandlungskosten für die stationäre Behandlung in der Zeit vom 22. - 24. Oktober 2008 in Höhe von 2.452,42 € geltend. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG B72A (Infektion des Nervensystems außer Virusmeningitis, mittlere Grenzverweildauer 6,8 Tage). Mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 und 22. Dezember 2008 forderte die Beklagte von der Klägerin im Rahmen des Datenaustauschverfahrens eine Rechnungsänderung, weil aufgrund erfolgter Wiederaufnahme innerhalb von 24 Stunden und Unterschreitung der mittleren Grenzverweildauer ein Verlegungsabschlag vorzunehmen sei. Der Versicherte habe sich noch am 21. Oktober 2008 bis 16:00 Uhr in der Tagesklinik der Klinik für Psychiatrie der Klägerin aufgehalten.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2012 erinnerte die Beklagte an die Zahlung der Rechnung vom 3. November 2008. Hierauf zahlte die Beklagte am 22. Oktober 2012 auf die Rechnung der Klägerin einen Teilbetrag in Höhe von 1.032,14 €. Darüberhinausgehende Zahlungen lehnte sie mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 endgültig ab.
Die Klägerin hat am 19. Dezember 2012 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Sie hat vorgetragen, eine Verlegung des L als Voraussetzung eines entsprechenden Vergütungsabschlags nach § 3 Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2008 habe nicht stattgefunden. Der Versicherte sei am 21. Oktober 2008 regulär aus der psychiatrischen Tagesklinik entlassen worden. Am Folgetag, dem 22. Oktober 2008, sei es zu einer notfallmäßigen Einlieferung in die Neurologie gekommen. Hierbei handele es sich um eine neue, eigenständige Behandlung, die schon begrifflich keine Verlegung sei, da die Aufnahme in die Neurologie von niemand veranlasst worden sei. Der Anwendung der Abschlagsregelung stehe zudem entgegen, dass nach § 3 Abs. 2 Satz 2 FPV 2008 ein Verlegungsabschlag nicht vorzunehmen sei, wenn die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden gedauert habe. Die Behandlungen in der Tagesklinik hätten jeweils weniger als 24 Stunden gedauert. In der psychiatrischen Tagesklinik würden die Entgelte nach der BPflV berechnet und nach einzelnen Behandlungstagen vergütet. Dass nach § 8 Abs. 2b FPV 2008 eine quartalsweise Fallzählung stattfinde sei für den Verlegungsabschlag unerheblich.
Die Beklagte hat entgegnet, die Rechnung sei um den Verlegungsabschlag nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FPV 2008 zu kürzen. Eine Verlegung liege nach § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2008 dann vor, wenn zwischen der Entlassung aus dem vorbehandelnden Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen seien. Ob diese Aufnahme durch das zuvor behandelnde Krankenhaus veranlasst worden sei oder ob dieses überhaupt Kenntnis von der erneuten Aufnahme habe, sei nach dem eindeutigen Wortlaut ohne Belang. Auch der Umstand, dass es sich bei der ersten Behandlung um eine teilstationäre, nicht über DRG-Fallpauschalen abgerechnete Behandlung gehandelt habe, ändere nichts, weil § 3 Abs. 4 Satz 1 FPV vorse...