Mindestvorgaben für Personal in psychiatrischen Krankenhäusern

50 Prozent der Krankenhäuser für Kinder– und Jugendpsychiatrie und knapp 40 Prozent der psychiatrischen Krankenhäuser setzten im zweiten Halbjahr 2021 weniger Behandlungspersonal ein, als die bundesweite Mindestpersonalvorgabe vorschreibt. Das belegen erste Auswertungsberichte über die Personalausstattung in deutschen psychiatrischen Krankenhäusern. Veröffentlicht wurden diese im Januar 2023 vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG).

„Mit der ersten Auswertung über die Personalausstattung in der Psychiatrie erhalten wir endlich Transparenz über die Einhaltung der bundesweiten Mindestpersonalvorgaben. Dabei ist festzustellen, dass diese nur von knapp zwei Dritteln der psychiatrischen Krankenhäuser eingehalten werden. Mindestvorgaben für therapeutisches Personal schützen Patientinnen und Patienten vor mangelhafter Versorgung und das Personal vor Überlastung. Wir sprechen bei Mindestvorgaben von einer roten Linie, die nicht überschritten werden darf, um eine zusätzliche Gesundheitsgefährdung der ohnehin kranken Menschen zu vermeiden. Die Berichterstattung wird zukünftig zeigen, ob in den Krankenhäusern nachgebessert wird“, sagt Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende GKV-Spitzenverband.


Gesetzliche Mindestpersonalvorgaben als Schutz für Patienten, Patientinnen und Personal

Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 19. September 2019 erstmals eine Richtlinie über die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik erlassen (PPP-Richtlinie). Die PPP-Richtlinie regelt die Personalanzahl, die in einem psychiatrischen Krankenhaus mindestens anwesend sein muss. Dies umfasst die Bereiche aus Ärzteschaft, Psychologie, Pflege, Spezialtherapie, Bewegungstherapie sowie Sozialarbeit. Sie berücksichtigt dabei den unterschiedlichen Behandlungsaufwand abhängig von Art und Schwere der Erkrankung. Anlass für die Neuregelung waren Berichte über langjährig bestehende Personaldefizite in den Krankenhäusern - zu Lasten sowohl der erkrankten Menschen als auch des Personals. Die PPP-Richtlinie verpflichtet die Krankenhäuser seitdem, regelmäßig Nachweise über das vorhandene Personal vorzulegen. Die aktuellen Ergebnisse machen die vorhandenen Defizite erstmals auf einer einheitlichen Datengrundlage transparent.

Ausnahmeregeln in der Corona-Pandemie

„Dass jedes dritte psychiatrische Krankenhaus die Personalmindestvorgaben nicht einhält, macht uns große Sorgen und belegt, wie wichtig die Personaldokumentation in der Patientenversorgung ist. Dabei berücksichtigt die PPP-Richtlinie sehr wohl schon weitreichende Ausnahmen, wie beispielsweise in der Corona-Pandemie“, sagt Dr. Pfeiffer. So können Krankenhäuser auch bei überdurchschnittlich hohem Personal-Krankenstand von der Richtlinien-Vorgabe abweichen oder in begrenzten Umfang auch unqualifizierte Hilfskräfte einsetzen, um die Patientenversorgung sicherzustellen.

GKV-Gelder werden zweckentfremdet

Dabei erhalten die Krankenhäuser ausreichende Mittel zur Finanzierung des Personals. Allerdings zeigte sich im Jahr 2019, dass noch jede fünfte Psychiatrie das vereinbarte Personalbudget auch für andere Zwecke und nicht vollständig für therapeutisches Personal verwendet hatte. Die nunmehr für 2021 vorliegenden Zahlen lassen befürchten, dass diese Zweckentfremdung weiterhin erfolgt. Die konsequente Umsetzung der PPP-Richtlinie ist unerlässlich, damit endlich ausreichend Personal bei der Behandlung der Patientinnen und Patienten vorhanden ist.

Grundsätzlich zu viele vollstationäre psychiatrische Behandlungen in Deutschland

Die niedrigen PPP-Erfüllungsquoten sind nicht nur Ausdruck eines Fachkräftemangels, sie offenbaren auch ein strukturelles Problem in der psychiatrischen Versorgung in Deutschland. In den meisten europäischen Ländern wurden in den letzten 20 Jahren stationäre Kapazitäten abgebaut. Eine adäquate Therapie muss nicht immer zwingend vollstationär erfolgen. Bisher werden jedoch in den deutschen Krankenhäusern die bestehenden Alternativen zur stationären Behandlung viel zu wenig genutzt. Modellvorhaben zeigen, dass durch eine intensive Behandlung in Tageskliniken und psychiatrischen Institutsambulanzen die stationäre Verweildauer erheblich reduziert werden kann. Das ist nicht nur im Sinne der Patientinnen und Patienten, sondern ermöglicht auch einen zielgerichteten Personaleinsatz.

Hintergrundinformationen zur Datenbasis

Seit Januar 2020 müssen die psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken ihre Personalausstattung dokumentieren. Dies erfolgt derzeit mit so genannten Servicedokumenten, die auf der Website des G-BA veröffentlicht werden. Das IQTIG nimmt die Daten entgegen und wertet diese aus. Die hier zitierten Ergebnisse basieren auf den Angaben der Krankenhäuser, die im vierten Quartal 2021 ihre Personalausstattung dokumentiert haben. Dies waren 769 Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie und 290 Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Es wurden Ergebnisse ab dem dritten Quartal 2021 herangezogen, da diese eine Annäherung an die Situation vor der COVID-19-Pandemie zeigen. Die Behandlungstage haben sich nach deutlichem Rückgang im zweiten Quartal 2020 im dritten Quartal 2021 wieder dem Niveau vor der COVID-19-Pandemie angeglichen.

GKV-Spitzenverband