Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztengeld: Arbeitsunfähigkeit. MdE im rentenberechtigendem Grad: komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) als weitere Unfallfolge. fehlende Diagnosekriterien. zeitlicher Ablauf. Auftreten bzw Wiederaufflammen vier Jahre nach dem Trauma
Orientierungssatz
1. Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 45 Abs 1 Nr 1 SGB 7 liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl zur gesetzlichen Krankenversicherung BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 11/99 R = BSGE 85, 271, 273 mwN; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung vgl BSG vom 29.11.1972 - 8/2 RU 123/71 = BSGE 35, 65; BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 30/01 R = SozR 3-2700 § 46 Nr 1; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R = SozR 4-2700 § 46 Nr 3).
2. Zur Nichtanerkennung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) als weitere Unfallfolge mangels Vorliegens der Diagnosekriterien (zB Hautverfärbung, signifikante Temperaturdifferenz, Ödem oder Störung der Schweißsekretion).
3. Der zeitliche Ablauf mit einem Auftreten bzw Wiederaufflammen vier Jahre nach dem Trauma ist mit der Diagnose eines unfallbedingten CRPS nicht zu vereinbaren.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Verletztengeld über den 7. Februar 2012 hinaus sowie einer Verletztenrente.
Der 1957 geborene Kläger ist Inhaber eines Heizungs- und Sanitärinstallationsbetriebes.
Er erlitt am 6. Oktober 2011 einen Arbeitsunfall. Nach seinen Angaben habe er sich den linken Arm gezerrt, als er beim Wechseln eines ca. 15 kg schweren Membranausdehnungsgefäßes eine Schraube gelöst habe und dabei das Gefäß nicht mehr habe halten können, sodass seine Hand mit dem Gefäß nach unten gerissen worden sei. Der am 10. Oktober 2011 aufgesuchte Hausarzt Dr. C. befundete einen Bluterguss am vorderen Ellenbogen und linken Unterarm. Die Beugung und Streckung seien endgradig schmerzhaft. Das Röntgenergebnis des linken Ellenbogens war ohne Befund. Der Hausarzt stellte als Erstdiagnose einen Sehnenabriss fest. Nach der Beurteilung der Kernspintomografie des linken Ellenbogengelenks vom 12. Oktober 2011 bestand der Eindruck einer fast kompletten Ruptur der Bizepssehne. Entsprechend bestehe ein Weichteilödem/-hämatom in bzw. nahe der Sehnenloge mit einem zusätzlichen Hämatom des distalen Musculus biceps. Vom 2. bis zum 18. November 2011 wurde der Kläger stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen (BGU) behandelt. Bei der Operation mit Exploration und Wundversorgung der Bizepssehne am 3. November 2011 erwies sich die distale Bizepssehne links jedoch als intakt bei Verdacht auf eine stattgehabte alte Verletzung. Der postoperative Verlauf war verzögert. Nach einer oberflächlichen Wundrötung sei es bei regelrechter Wundheilung zu fortbestehenden Missempfindungen am gesamten Unterarm gekommen. Daraufhin wurde der Kläger am 14. November 2011 neurologisch von Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, untersucht. Dieser stellte die vorläufige Diagnose einer leichtgradigen Nervenläsion (des sensiblen Ramus superficialis nervi radialis und des sensiblen Nervus medianus links) in Höhe des Ellenbogens ohne eindeutiges elektrophysiologisches Korrelat. Eine Spontanremission sei zu erwarten.
Aus dem Zwischenbericht des Durchgangsarztes E. über eine Nachuntersuchung am 19. Dezember 2011 geht hervor, dass der Kläger weiterhin über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung von Sehnen des linken Ellenbogengelenks und ein Taubheitsgefühl des linken Handrückens klagte, welches gelegentlich in Oberarmaußenseite und Unterarm ausstrahle. Bei der chirurgischen Untersuchung erschien die Kraft für die Beugung zunächst deutlich vermindert. Als der Kläger darauf hingewiesen worden sei, dass dies nicht im Unfallzusammenhang stünde, habe sich eine verbesserte Kraftentfaltung bei der Flexion/Extension gezeigt.
Der Kläger stellte sich am 28. Dezember 2011 nochmals zur neurologischen Verlaufskontrolle in der BGU vor. Nach dem Abschlussbericht von Dr. F./Dr. G. habe sich neurologisch weder eine Parese noch eine trophische Störung gezeigt, aber Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Unterarmes. Die neurotechnischen Befunde hätten eine leichtgradige Läsion im Bereich des linken Unterarmes ergeben. Das EMG sei unauffällig gewesen. Die Genese der handschuhförmigen Sensibilitätsstörung sei nicht eindeutig zu erklären. Der Kläger habe über Kraftlosigkeit in der Hand geklagt. Bei der Überprüfung der Handkraft mittel...