Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragserstattung. Einrede der Verjährung. Pflichtgemäßes Ermessen. Mitverursachung durch fehlerhaftes Verwaltungshandeln. Einzugsstelle. Betriebsprüfung. Kostenentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

Gegenüber einer Forderung auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge darf die Agentur für Arbeit die Einrede der Verjährung auch dann erheben, wenn die Beitragszahlung im Rahmen einer früheren Betriebsprüfung vom Rentenversicherungsträger nicht beanstandet wurde.

 

Normenkette

SGB IV § 26 Abs. 2 S. 1, § 27 Abs. 2-3, § 28h Abs. 2; SGB III § 351 Abs. 1; BGB § 214 Abs. 1; SGG § 197a

 

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten die Erstattung der für den Kläger zu 1) entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1996.

Der im Jahre 1939 geborene Kläger zu 1) ist Bauunternehmer. Er gründete Ende 1976 mit zwei weiteren Gesellschaftern die A. P. M. Tief- und Straßenbau GmbH, die Klägerin zu 2). Zuvor war das Unternehmen als Kommanditgesellschaft geführt worden. Der Kläger zu 1) trat als technischer Angestellter in die GmbH ein. Gleichzeitig wurde er zum Geschäftsführer der GmbH mit Alleinvertretungsrecht bestellt. Am Stammkapital der GmbH hielt der Kläger zu 1) von Anfang an 45%, seine Ehefrau 40%. § 10 der Gesellschaftssatzung fordert für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung die einfache Mehrheit, für die Abberufung des Geschäftsführers die Zwei-Drittel-Mehrheit.

Mit Schreiben vom 10. März 1977 teilte die AOK der Klägerin zu 2) mit, nach dem Gesellschaftsvertrag der M. GmbH verfüge der Kläger zu 1) über weniger als die Hälfte des Stammkapitals, so dass ein maßgeblicher Einfluss des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Entscheidungen der Gesellschaft nicht gegeben sei. Für den Kläger zu 1) bestehe daher Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten sowie zur Bundesanstalt für Arbeit. In der Folgezeit wurden fortlaufend Beiträge entrichtet.

Mit Schreiben vom 3. Mai 1991 teilte die AOK der Klägerin zu 2) mit, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers zur GmbH nur dann vorliege, wenn der Gesellschafter keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft seines Anteils am Stammkapital geltend machen könne. Nach § 10 der Gesellschaftssatzung würden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst. Abs. 2 schreibe jedoch bei bestimmten Beschlüssen eine Drei-Viertel-Mehrheit der nach der Satzung vorhandenen Stimmen vor. Danach sei ein maßgeblicher Einfluss des Klägers zu 1) auf die Beschlüsse und Entscheidungen der Gesellschaft vorhanden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege bei diesem Sachverhalt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht vor. Es werde empfohlen, die Gesellschaftssatzung zu ändern. Trotz dieses Schreibens wurden die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung bis zum 31. Dezember 2001 weiter gezahlt. Mit Bescheid vom 25. April 2002 stellte die AOK gegenüber der Klägerin zu 2) fest, dass infolge der Gesellschaftssatzung vom 21. Dezember 1992 der Kläger zu 1) seit dem 1. Januar 1993 in keinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe.

Unter dem 3. Mai 2002 beantragten die Kläger gegenüber der Beklagten die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge ab 1987. Mit Bescheiden vom 14. Juni 2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern fest, dass die Beiträge in voller Höhe von jeweils 18.441,18 EUR zu Unrecht entrichtet worden seien. Der Erstattungsantrag sei am 4. Juni 2002 eingegangen. Der Erstattungsanspruch sei für die vor dem 1. Januar 1997 entrichteten Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis zum 31. Dezember 1996 in Höhe von 11.564,41 EUR verjährt. Besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nicht vor. Der geminderte Erstattungsbetrag in Höhe von 6.876,77 EUR werde wie beantragt ausgezahlt.

Mit bei der Beklagten am 3. Juli 2002 eingegangenem Schreiben erhoben die Kläger Widerspruch gegen die Erstattungsbescheide vom 14. Juni 2002. Der Erstattungszeitraum müsse neben den Jahren 1997 bis 2001 auch die Jahre 1987 bis 1996 enthalten. Bei der 1990 durchgeführten Prüfung der AOK sei die Beitragspflicht des Geschäftsführers ab 1987 als richtig festgestellt worden. Auch bei der Geschäftsgründung im Jahre 1976 sei ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Geschäftsführers anerkannt worden. Die Satzung sei zu keiner Zeit geändert worden. 1985 sei lediglich eine Aufstockung des Stammkapitals von 20.000 DM auf 50.000 DM erfolgt.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 5. Juli 2002 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, von dem zu Unrecht entrichteten Betrag in Höhe von 18.441,18 EUR könnten die für die Zeit vor dem 1. Januar 1996 entrichteten Beiträge [gemeint war wohl 1. Januar 1997] nicht mehr erstattet werden, da der Erstattungsanspruch nach § 27 Abs. 2 S. 1...

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