Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Änderung der Sperrzeitdauer ab 1.1.2003. fehlende Übergangsregelung. Anwendung des neuen Rechts bei allen Sperrzeitfeststellung ab 1.1.2003. Sperrzeitereignis. Intertemporales Verwaltungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übergangsregelung des § 434g Abs 2 SGB 3 zum ArbMDienstLG 1 vom 23.12.2002 ordnet an, dass die verfahrensrechtliche Neuregelung des § 144 Abs 1 S 2 SGB 3 nicht anzuwenden ist, wenn das Sperrzeitereignis vor Inkrafttreten der Rechtsänderung eingetreten ist. Zur Fortgeltung der Bestimmungen zur Sperrzeitdauer (§ 144 Abs 3 und 4 SGB 3 aF) ist auch im Umkehrschluss zu § 434g Abs 2 SGB 3 keine Übergangsregelung zu entnehmen.
2. Der allgemeine Grundsatz, bei Rechtsänderungen auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Sperrzeitereignisses abzustellen, gilt nur für Änderungen der Sperrzeitdauer, die - teilweise - eine Änderung zu Lasten der Arbeitslosen enthalten.
3. Unter Berücksichtigung der Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts ist der Neuregelung der Sperrzeitdauer ab 1.1.2003 der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, sie auch auf Sperrzeitereignisse vor ihrem Inkrafttreten zu erstrecken, wenn die Sperrzeitfeststellung ab 1.1.2003 erfolgt ist. Das gilt selbst dann, wenn der zu korrigierende Bewilligungsbescheid ohne Sperrzeitfeststellung davor erlassen ist.
Normenkette
SGB III § 144 Abs. 1 S. 2, Abs. 3-4, § 434g Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2003 auch hinsichtlich der Minderung der Anspruchsdauer dergestalt geändert wird, dass sie nur 21 Tage beträgt.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob die von der Beklagten festgesetzte 12-wöchige Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung auf Grund einer Rechtsänderung ab dem 1. Januar 2003 auf 3 Wochen zu beschränken und die deshalb verfügte Rücknahme und Erstattung bewilligter Leistungen darüber hinaus rechtmäßig ist.
Der 1976 geborene, seit dem 16. Juni 2000 verheiratete kinderlose Kläger beantragte bei der Beklagten am 10. November 2001 Arbeitslosengeld und meldete sich arbeitslos. Seit dem 3. Juni 2001 wird der Kläger nach der Lohnsteuerklasse 3 veranlagt. Auf Grundlage des im Zeitraum vom 1. September 2000 bis 18. März 2001, 9. August 2001 bis 13. Oktober 2001 und 14. Oktober 2001 bis 9. November 2001 abgerechneten Bruttoentgeltes aus versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in Höhe von insgesamt 26.396,56 DM berechnete die Beklagte ein wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 324,43 € und bewilligte dem Kläger entsprechend Arbeitslosengeld ab dem 10. November 2001 nach der Leistungsgruppe C, allgemeiner Leistungssatz in Höhe von 42,97 DM (22,16 €) kalendertäglich. In der Zeit vom 1. März 2002 bis 31. August 2002 übte der Kläger eine Zwischenbeschäftigung aus. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Dezember 2002 (Bewilligungsbescheid) ab dem 19. September 2002, dem Tag der erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung, Arbeitslosengeld weiter; vom 10. November 2002 an wegen der Anpassung gemäß § 138 SGB III nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 330,66 € wöchentlich in Höhe von kalendertäglich 22,50 €. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 19. September 2002 ein Stellenangebot für eine Tätigkeit als Taxifahrer mit Nachtfahrten unterbreitet. Die Stelle hatte der Kläger bei seinem Vorstellungsgespräch am 23. September 2002 mit der Begründung abgelehnt, Nachtfahrten seien ihm nicht möglich, weil er schlecht sehen könne. Das bestätigte er in einer Erklärung gegenüber der Beklagten vom 17. Dezember 2002. Mit Bescheid vom 4. Februar 2003 (erweiterter Sperrzeitbescheid) stellte die Beklagte deshalb eine Sperrzeit gemäß § 144 SGB III für den Zeitraum vom 24. September 2002 bis 16. Dezember 2002 fest, nahm die Bewilligung für den vorbenannten Zeitraum zurück und setzte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.874,02 € wegen gezahlten Arbeitslosengeldes im vorbenannten Zeitraum fest und verkürzte die Leistungsdauer um 84 Tage. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Februar 2003 am 3. März 2003 mit der Begründung Widerspruch ein, seine nachts nachlassende Sehkraft habe die Tätigkeit nicht zugelassen. Eine augenärztliche Bescheinigung reiche er nach. Auf Erinnerung der Beklagten legte der Kläger am 25. März 2003 eine augenärztliche Verordnung über eine Sehhilfe vor. Ab dem 1. April 2003 rechnete die Beklagte den Erstattungsbetrag gegen bewilligtes Arbeitslosengeld in Höhe von 0,99 € kalendertäglich im Einvernehmen mit dem Kläger auf. Mit Schreiben vom 28. April 2003 holte die Beklagte die Anhörung des Klägers im Widerspruc...