Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung der Abrechnung eines Vertragszahnarztes durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 106a Abs. 1 i. V. m. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB 5 prüfen die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Die Prüfung erstreckt sich darauf, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß erbracht worden sind.

2. Der Vertragszahnarzt hat seine Behandlung so zu dokumentieren, dass er eine lege artis durchgeführte Behandlung nachweisen kann, um einer Haftung oder auch nur einer Beweislastumkehr im Haftungsprozess entgehen zu können.

3. Nach § 5 des BMV-Z ist der Vertragszahnarzt verpflichtet, über jeden behandelten Kranken Aufzeichnungen zu machen, aus denen die einzelnen Leistungen, die behandelten Zähne und, soweit erforderlich, der Befund und die Behandlungsdaten ersichtlich sein müssen.

4. Der Umfang der Darlegungs-, Nachweis- und Dokumentationspflichten im vertragszahnärztlichen Abrechnungsrecht bestimmt sich nach den Voraussetzungen der jeweiligen Gebührenpositionen sowie gfs. nach ergänzenden Vorschriften.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.09.2020; Aktenzeichen B 6 KA 9/20 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. Oktober 2015 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2014 und des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 28. Oktober 2015 wird aufgehoben, soweit die Beklagte damit Leistungen in Höhe eines 15.076,41 Euro (nach HVM-Einbehalten) übersteigenden Betrages abgesetzt hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Berichtigung der KCH-Abrechnung für das Quartal II/13 und hierbei über verschiedene Einzelabsetzungen in 106 Behandlungsfällen in Höhe von insgesamt noch 17.283,30 Euro.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt, die übrigen Mitglieder sind Zahnärzte. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Mit Schreiben vom 5. August 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die in der KCH-Abrechnung II/13 eingereichten und im Schreiben namentlich aufgeführten vier Behandlungsfälle würden Fragen im Hinblick auf die vorgelegte Abrechnung aufwerfen. Die Beklagte bat zur besseren Beurteilung um Übersendung von Kopien der Patientenkartei und der ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundberichte.

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 19. September 2013 eine sachlich-rechnerische Berichtigung der KCH-Abrechnung für das Quartal II/13 vor. Sie setzte in 106 Behandlungsfällen verschiedene Einzelleistungen ab. In 36 Behandlungsfällen setzte sie den Ansatz der Nr. 2255 GOÄ-82 (Freie Verpflanzung eines Knochens oder von Knochenteilen ≪Knochenspäne≫) ein- bis dreimal ab, weil keine Indikation hierfür erkennbar sei. In drei dieser Behandlungsfälle nahm sie eine Umwandlung in Nr. 2254 GOÄ-82 vor. Ferner strich sie Leistungen nach Nr. 7605 GOÄ-82 (Konsiliarische Erörterung incl. Zuschlag für Leistungen an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zwischen 20-22 Uhr oder 6-8 Uhr), Nr. 7565 GOÄ-82 (Verweilgebühr incl. Zuschlag für Leistungen an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zwischen 20-22 Uhr oder 6-8 Uhr) und Nr. 7841 GOÄ-82 (Wegegeld bei mehr als zehn Kilometern bis zu 25 Kilometern bei Nacht), weil keine Nacht-Besuchsgebühr vorhanden sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 18. Oktober 2013 Widerspruch ein, den sie am 30. Oktober 2013 begründete. Für die ersten 36 Behandlungsfälle widersprach sie der Absetzung nach Nr. 2255 GOÄ-82. Das Knochendeckelverfahren sei ein allgemein anerkanntes Verfahren als Zugang zur Wurzelspitze und zur Kieferhöhle. Die Leistungserbringung ergebe sich ebenso wie die Indikation aus dem OP-Protokoll. In den übrigen 70 Behandlungsfällen führte sie aus, aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 19. Juli 2013 sei sie davon ausgegangen, dass auch für den Fall von notfallmäßig angeforderten Nachtbesuchen bei Heimpatienten, die von ihr auch ansonsten betreut würden, die Nr. 153 abzurechnen sei. Jetzt vertrete die Beklagte die Auffassung, die richtige Leistung wäre Nr. 151 mit den entsprechenden Zuschlägen. Sie habe die Besuchszeiten mit der Abrechnung angegeben. Der Widerspruchsbegründung hat sie hinsichtlich der Nachtbesuchsgebühr auf einer Kopie des Bescheids vom 19. September 2013 handschriftlich die Besuchszeit und die von der Beklagten „gewünschten“ Abrechnungsziffern vermerkt.

Die Beklagte bat die Klägerin unter Datum vom 24. Februar 2014 um Übersendung der vollständigen Patientenkarteien, OP-Berichte, Röntgendokumentationen sowie ausführlichen Befundberichte de...

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