Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Geschäftsführer einer oHG
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Bezieht der Geschäftsführer einer oHG, der nicht gleichzeitig deren Gesellschafter ist, ein festes monatliches Gehalt, ist zuzüglich eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 10 % vereinbart und hat er Anspruch auf bezahlten Urlaub, so ist von dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Verstößt ein zwischen dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern der oHG geschlossener Stimmbindungsvertrag gegen das sog. Abspaltungsverbot, so können hieraus keine Folgen zugunsten der Annahme einer selbständigen Tätigkeit für den Geschäftsführer hergeleitet werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. August 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seit dem 1. Mai 2010 bei der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt ist.
Der 1978 geborene Kläger ist gelernter Automobilkaufmann und war seit 2000 bei der Beigeladenen zu 1. im kaufmännischen Bereich beschäftigt.
Die Mutter des Klägers, die Kauffrau D. A., gründete bereits im Jahr 1984 gemeinsam mit dem KfZ-Mechaniker C. C. die Beigeladene zu 1. in der Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) unter der Firma Auto-Teile C. OHG. Gesellschaftszweck ist der Betrieb einer Autoverwertung, der Handel, der An- und Verkauf von Unfall- und Gebrauchtwagen sowie die Vermittlung von Kaufverträgen für Kraftfahrzeuge und das Betreiben eines Abschleppdienstes. Beide Gesellschafter sind vertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Der Gesellschaftsvertrag sieht in § 13 vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter nur einstimmig gefasst werden können. Sollte bei einer zweiten Abstimmung über einen von der Gesellschafterin A. gestellten Antrag keine Einigung herbeigeführt werden, so entscheidet die Stimme der Gesellschafterin A. Im Übrigen gilt bei Stimmengleichheit der Antrag als abgelehnt (§ 13).
Eigentümer des Betriebsgrundstückes, auf dem die Beigeladene zu 1. ihr Handelsgewerbe betreibt, ist seit Mai 2006 der Kläger, der die Gewerbefläche an die Beigeladene zu 1. vermietet hat.
Mit schriftlicher Vereinbarung vom 3. Mai 2010 bestellte die Beigeladene zu 1. - vertreten durch die Gesellschafterin A. - den Kläger mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer der OHG. Nach § 1 Abs. 2 der Vereinbarung sollte der Kläger eigenverantwortlich die vollständige Leitung sämtlicher Geschäftsbelange übernehmen. Außerdem wurde vereinbart: Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 erstreckt sich die Tätigkeit des Klägers auf alle Handlungen, die der Betrieb mit sich bringt. Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 ist der Kläger befugt, Gesellschafterbeschlüsse herbeizuführen. Außerdem steht ihm nach § 1 Abs. 5 Satz 3 der Vereinbarung ein Stimmrecht bei Beschlüssen der Gesellschafter zu. Nach § 1 Abs. 6 der Vereinbarung bestimmt der Kläger selbst über Zeit, Ort und Inhalt seiner Tätigkeit. Er steht dem Unternehmen zur Verfügung, soweit dies das Wohl des Unternehmens erfordert. Einer Weisungsbindung unterliegt der Kläger nicht. In § 2 der Vereinbarung ist die Vertretungsbefugnis des Klägers geregelt. Danach ist er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und alleinvertretungsberechtigt. Weiter heißt es in § 2 der Vereinbarung wörtlich: "Es gilt § 126 HGB". Nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung kann der Vertrag beiderseits mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Eine Kündigung durch die Gesellschaft bedarf nach § 3 Abs. 2 S. 2 eines vorhergehenden Gesellschafterbeschlusses. In § 5 der Vereinbarung ist die Vergütung geregelt. Nach § 5 Abs. 1 der Vereinbarung zahlt sich der Kläger ein Bruttoentgelt in Höhe von 30.000 €, zahlbar in 12 Monatsraten jeweils zum Ende eines Kalendermonats. Nach § 5 Abs. 2 der Vereinbarung erhält er zusätzlich eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 10 % des Bilanzgewinns. Nach § 5 Abs. 3 der Vereinbarung wird die in § 5 Abs. 1 geregelte Vergütung und die in § 5 Abs. 2 geregelte Gewinnbeteiligung vom Kläger und den Gesellschaftern in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens bestimmt. In § 7 der Vereinbarung ist geregelt, dass der Kläger die Dauer und die Lage seines Urlaubs eigenständig bestimmt, ausgerichtet an den betrieblichen Erfordernissen. Er bedarf ausdrücklich keine...