Entscheidungsstichwort (Thema)

abgeschlossene Berufsausbildung. erste Berufsausbildung. Ausbildungsdauer 2 Jahre. Ausbildungsdauer 1 1/2 Jahre. Gleichstellung der Ausbildungsberufe

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nach dem seinerzeit geltenden Recht der DDR auf 1 1/2 Jahre festgesetzte Berufsausbildung (Facharbeiter für Textiltechnik-Strickerin) stellt keine abgeschlossene (erste) Berufsausbildung i.S. § 7 Abs. 2 Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (A FuU) dar. Daran ändert die Regelung des Art. 37 Abs. 3 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 nichts. Der am 1. Mai 1991 in Kraft getretene Abs. 2 a von § 7 A FuU hat für vorliegenden Fall schon deshalb keine Bedeutung, da der Beginn der Ausbildung, deren Förderung begehrt wird, sowie der ablehnende Bescheid und der Widerspruchsbescheid zeitlich früher liegen.

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 37 Abs. 3; AFG §§ 40, 42 Abs. 1 Nr. 1; A FuU § 7 Abs. 2; A Ausbildung § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Fulda (Urteil vom 09.06.1993; Aktenzeichen S-1c/Ar-161/91)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Juni 1993 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für eine von der Klägerin von September 1990 bis Juli 1993 erfolgreich absolvierte Ausbildung zur Bürokauffrau.

Die am 1. Oktober 1970 geborene Klägerin bestand am 3. Juli 1987 die Abschlußprüfung der 10-klassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule Max Kunze in L.-…- mit sehr gut, erlernte in der DDR den Beruf Facharbeiter für Textiltechnik (Berufsnummer 40201), Spezialisierungsrichtung Stricker, in der Zeit vom 1. September 1987 bis 15. Februar 1989 bei dem VEB Feinstrumpfwerk O. mit der Abschlußnote „gut” und arbeitete anschließend dort bis 13. August 1990.

Am 7. August 1990 erfolgte ein Beratungsgespräch bei der Beklagten hinsichtlich einer neuen Ausbildung und das Angebot einer Ausbildungsstelle bei Autohaus S. in S.. Dort absolvierte die Klägerin erfolgreich eine Ausbildung zur Bürokauffrau in der Zeit von September 1990 bis Juli 1993.

Am 8. Oktober 1990 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von BAB.

Mit Bescheid vom 8. Februar 1991 wies die Beklagte den Antrag ab und begründete dies u.a. damit, daß die Klägerin bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung habe und BAB nur für die erstmalige Ausbildung gewährt werde nach § 3 Abs. 1 Anordnung Ausbildung (A-Ausbildung).

Hiergegen hat die Klägerin am 21. Februar 1991 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, bei ihrer Ausbildung in der ehemaligen DDR handele es sich nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf, deshalb sei ihr von der Berufsberatung auch eine Ausbildungsstelle zur Bürokauffrau vermittelt worden. Zudem sei ihr vom Arbeitsamt S. zugesichert worden, daß die richtige Berufsausbildung nicht am Geld scheitern solle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 1991 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, nach Art. 37 Abs. 3 des Einigungsvertrages und § 108 a Berufsbildungsgesetz (BBiG) seien Prüfungszeugnisse nach der Systematik der Facharbeiterberufe der früheren DDR den Gesellenprüfungen in anerkannten Ausbildungsberufen nach dem BBiG gleichgestellt. Nach entsprechender Regelung des § 7 Abs. 2 Anordnung Fortbildung und Umschulung (A-FuU) liege eine erstmalige Ausbildung dann vor, wenn ein Berufsabschluß in einem nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften anerkannten Beruf erworben worden sei, zu dem die Ausbildungszeit von mindestens 2 Jahren festgesetzt worden sei. Die Ausbildung der Klägerin in der ehemaligen DDR habe zwei Jahre umfaßt.

Hiergegen hat die Klägerin am 30. April 1991 Klage erhoben, mit der sie Aufhebung der Bescheide und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von BAB für die Ausbildung bei Firma S. begehrte. Sie hat im wesentlichen vorgetragen, im Gegensatz zum Widerspruchsbescheid habe ihre Ausbildung nur 1 1/2 und nicht 2 Jahre gedauert. Alle, die mit ihr gelernt hätten, hätten auch nur eine Ausbildungszeit von 1 1/2 Jahren durchlaufen. Sie wisse nicht, warum ihre Ausbildung nur 1 1/2 und nicht 2 Jahre gedauert hätte. Der von der Beklagten zitierte § 7 Abs. 2 A-FuU setze eine Ausbildungszeit von mindestens 2 Jahren voraus, so daß die Voraussetzung des Art. 37 Abs. 3 des Einigungsvertrages sowie § 108 a BBiG nicht erfüllt seien. Ihr sei im Arbeitsamt auch ausdrücklich dargelegt worden, daß es sich bei ihr um keine abgeschlossene Ausbildung im Sinne der bundesdeutschen Gesetzgebung handele. Eine Umschulung sei auch nicht in Betracht gekommen, da die Voraussetzungen (6 Jahre Berufspraxis) nicht gegeben gewesen seien.

Die Beklagte hat vorgetragen, es komme allein darauf an, ob ein Berufsabschluß in einem nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften an...

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