Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. außergewöhnliche Steigerung. Wechsel des Arbeitsplatzes. neue Bundesländer. alte Bundesländer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nach § 112 Abs. 2 AFG (in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung) zu berücksichtigende außergewöhnliche Steigerung des Arbeitsentgelts liegt bei Arbeitsplatzwechsel auch dann vor, wenn dieser von den neuen in die alten Bundesländer vorgenommen wird und jeweils bei gleicher beruflicher – vollschichtiger – Tätigkeit das ortsübliche Einkommen erzielt wird.

 

Normenkette

AFG § 111 Abs. 1, § 112 Abs. 2 (in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung)

 

Verfahrensgang

SG Fulda (Urteil vom 09.07.1992; Aktenzeichen S-1c/Ar-253/91)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.06.1995; Aktenzeichen 10 RAr 6/94)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Juli 1992 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe des ab 1. März 1991 gewährten Arbeitslosengeldes.

Die 1962 geborene Klägerin war von September 1983 bis 30. November 1990 als Pharmazieingenieur im pharmazeutischen Zentrum G. beschäftigt. Ausweislich der Arbeitgeberauskunft vom 25. März 1991 betrug ihr Monatsbruttolohn in den folgenden Monaten:

März 1990

=

1.665,– Mark

April 1990

=

1.565,– Mark

Mai 1990

=

1.565,– Mark

Juni 1990

=

1.515,– Mark

Juli 1990

=

1.400,– DM

August 1990

=

1.400,– DM

September 1990

=

1.690,– DM

Oktober 1990

=

1.630,– DM

November 1990

=

1.712,50 DM.

Vom 1. Dezember 1990 bis 28. Februar 1991 befand sich die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis bei der K.-A. in B. H. als Apothekerassistentin und erzielte ein Monatsbruttoeinkommen vom DM 3.100,–.

Am 27. Februar 1991 beantragte die Klägerin bei der Beklagten (Arbeitsamt B. H.) die Gewährung von Arbeitslosengeld und meldete sich zum 1. März 1991 arbeitslos. Mit Bescheid vom 21. März 1991 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 1. März 1991 mit einem vorläufigen wöchentlichen Leistungssatz von DM 122,40 unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes von DM 310,–, Mit Bescheid vom 15. April 1991 setzte die Beklagte die wöchentliche Leistung nunmehr endgültig fest auf DM 169,20 unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes von DM 450,–.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. Mai 1991 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, der Leistung müsse ein Bruttoarbeitsentgelt von DM 715,– zugrundegelegt werden. Die Anwendung des § 112 Abs. 2 Satz 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG, außergewöhnliche Steigerung des Arbeitsentgelts) sei nicht möglich, da die Steigerung des Arbeitsentgeltes durch die Übersiedlung in die alten Bundesländer entstanden sei und sie dort weiterhin wohne. Das früher in den neuen Bundesländern erzielte Arbeitsentgelt sei nicht zu berücksichtigen, zumal die Lebenshaltungskosten in den alten Bundesländern erheblich höher seien und auch das früher erzielte Arbeitsentgelt in Ostmark erzielt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1991 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Prüfung einer außergewöhnlichen Steigerung des Arbeitsentgeltes sei nach einer Erlaßweisung der Hauptstelle der Beklagten vom 12. November 1990 immer dann zu prüfen, wenn – wie hier – im gewöhnlichen Bemessungszeitraum (auch) Beschäftigungszeiten in den alten Bundesländern und vor dem Bemessungszeitraum (auch) Beschäftigungszeiten in den neuen Bundesländern zurückgelegt worden seien. Das in den letzten 3 Monaten von der Klägerin in Hessen erzielte Arbeitsentgelt übersteige das Arbeitsentgelt in den letzten 12 Monaten (davon 9 Monate in T.) um mehr als 1/3, so daß § 112 Abs. 2 Satz 4 AFG anzuwenden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Juli 1991 Klage erhoben mit dem Ziel der Berücksichtigung eines monatlichen Bemessungsentgeltes von DM 3.100,– für das ab 1. März 1991 gezahlte Arbeitslosengeld.

Mit Urteil vom 9. Juli 1992 hat das Sozialgericht Fulda die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Dauer ihrer Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des für die Zeit vom 1. Dezember 1990 bis 28. Februar 1991 bezogenen Arbeitsentgeltes als Bemessungsentgelt zu zahlen.

Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. In der Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Satz 4 lägen nicht vor. Das Arbeitsentgelt der Klägerin sei zwar durch den Wechsel von G. nach E. H. um nahezu die Hälfte gestiegen, darin liege jedoch schon deshalb keine außergewöhnliche Steigerung, weil die Einkommenserhöhung nicht auf der Anwendung eines höheren Tarifs oder ähnlichen Gründen beruhe, sondern auf dem Wechsel von T. nach H. und dem zwischen den beiden Ländern bestehenden Einkommensgefälle. Nach dem allgemeinen Wortgebrauch könne von einem außergewöhnlichen Anstieg des Arbeitsentgeltes bei einem Arbeitsplatzwechsel ...

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