Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Gerichtsbescheid vom 27.08.1998; Aktenzeichen S 12 V 4356/97) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. begehren von dem Beklagten die Gewährung von Versorgungsleistungen an den Kläger zu 2. nach dem Bundesversorgungsgesetz bzw. nach Vorschriften, die das Bundesversorgungsgesetz (BVG) entsprechend für anwendbar erklären.
Der Kläger zu 2. ist 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Bei ihm liegt eine – angeborene – frühkindliche Rückenmarksschädigung, Operationszustand, Klumpfuss links, Gehunfähigkeit, Blasen- und Mastdarmlähmung mit künstlichem Harnabgang vor, wofür ihm vom Hessischen Amt für Versorgung und Soziales F. – Versorgungsamt – nach dem Schwerbehindertengesetz ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Nachteilsausgleiche B, G, aG, H und RF (Bescheide vom 18. März 1998 und vom 20. April 1988) zuerkannt worden sind. Nach einem im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens eingeholten Gutachten der Kinderärzte Dr. E. und Dr. H. vom 17. Januar 1996 bedingt die Gesamtheit der bei dem Kläger zu 2. vorliegenden Behinderungen eine schwere Entwicklungsverzögerung und eine Minderung der intellektuellen Leistungsfähigkeit vom Ausmaß einer Lernbehinderung sowie eine Antriebsschwäche.
Die Klägerin zu 1. ist die Mutter des Klägers zu 2. Sie ist 1953 in Nowosibirsk geboren, wo sie bis zu ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland am 20. November 1976 lebte. Die Klägerin zu 1. ist die Tochter der Eheleute R. und M. A.. Diese lebten vor dem Krieg als deutschstämmige Siedler in der Ukraine. Im Zuge des deutschen Angriffs wurde das Siedlungsgebiet von deutschen Truppen besetzt und die Eheleute A. zunächst in den Warthegau verbracht. Später wurden sie von russischen Truppen überrollt und dann nach Sibirien gebracht, wo sie interniert und zu Zwangsarbeit herangezogen wurden. Die Eheleute A. erhalten Versorgungsleistungen wegen Schädigungsfolgen, die sie im Zusammenhang mit ihrer Internierung erlitten haben. Die Klägerin zu 1. wurde während der Internierung ihrer Eltern in einem sowjetischen Arbeitslager geboren. Im Jahre 1971 heiratete sie den aus der Ukraine stammenden W. A., mit dem sie außer dem Kläger zu 2. noch zwei weitere Kinder hat. Der Kindesvater, von dem die Klägerin zu 1. mittlerweile geschieden ist, blieb in der Sowjetunion.
Der Kläger zu 2. beantragte am 10. September 1982 die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Als damalige gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2. trug die Klägerin zu 1. vor, sie sei wegen ihres Ausreiseantrages im November 1976 sowohl von dem KGB als auch von ihrem Ehemann psychisch gequält und unmenschlich geschlagen worden, zudem habe man ihr Spritzen und Tabletten verabreicht. Zu diesem Zeitpunkt sei sie mit dem Kläger zu 2. etwa acht bis zehn Wochen schwanger gewesen. Der Kläger zu 2. sei nur deshalb behindert zur Welt gekommen, weil sie selbst im schwangeren Zustand mißhandelt worden sei. Die Klägerin zu 1. legte eine Heimkehrerbescheinigung des Grenzdurchgangslagers F. vom 24. November 1976 und einen Bescheid über die Feststellung der Entschädigung nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vom 14. März 1977 vor.
Durch Bescheid vom 16. Juli 1984 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung an den Kläger zu 2. ab; eine unmittelbare Kriegseinwirkung, wie sie das BVG verlange, liege 31 Jahre nach Beendigung des Krieges nicht mehr vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das beklagte Land durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 1985 zurück, da der Kläger zu 2. nicht zu dem Personenkreis der nach dem BVG zu entschädigenden Personen gehöre.
Die dagegen erhobene Klage war erfolglos (Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 1987 Az.: S-2/15/V-269/85 und des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Juli 1991 Az.: L-5/V-609/87).
In den Entscheidungsgründen hatte das Hessische Landessozialgericht dabei im Wesentlichen ausgeführt, der Versorgungsanspruch des Klägers zu 2. sei zu verneinen, da die Mutter des Klägers zum Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft im Jahre 1976 nicht mehr interniert im Sinne von § 1 Abs. 2 Buchstabe c BVG gewesen sei und nicht mehr der unmittelbaren Kriegseinwirkung infolge der mit der zwangsweisen Umsiedlung bzw. Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen sei (§ 5 Abs. 1 Buchstabe d). Ein unmittelbarer Kriegszusammenhang müsse schon aufgrund des zeitlichen Abstandes verneint werden. Entscheidend sei darüber hinaus, dass durch das Dekret des Präsidiums des obersten Sowjets der UdSSR vom 13. Dezember 1955 die Beschränkung der Rechtsstellung der Deutschen und ihrer Familienangehörigen beendet worden sei. Durch das Dekret von 1955 sei das Regime der...