Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflicht von Abfindungen. verdeckte Vergütung
Orientierungssatz
Zur Beitragspflicht von Abfindungen - verdeckte Vergütung:
1. Eine Abfindung ist dann beitragspflichtig zur Sozialversicherung, wenn und soweit in ihr Beiträge enthalten sind, die für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden (vgl BAG vom 9.11.1988 4 AZR 433/88 = NJW 1989, 1381).
2. Aufgrund besonderer objektiver Umstände im Einzelfall kann sich ergeben, daß in einer Abfindung eine Vergütung für die letzte Zeit des Arbeitsverhältnisses - bei vereinbartem Fortfall der Vergütungspflicht - enthalten ist ("verdeckte Vergütung", vgl BAG vom 9.11.1988 4 AZR 433/88 aaO).
Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 25.08.1987; Aktenzeichen S-6/Kr-687/86) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. August 1987 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Abfindung, die der Kläger an die Beigeladene zu 3. gezahlt hat, der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegt.
Der Kläger ist freiberuflich tätiger Arzt. Durch Arbeitsvertrag vom 15. Juli 1985 stellte er die Beigeladene zu 3. mit Wirkung vom gleichen Tage als Arzthelferin und Laborantin zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.300,00 DM in seiner Praxis an. Nach § 1 Abs. 2 des formularmäßigen “Arbeitsvertrages für Arzthelferinnen” war der Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und zugleich eine Befristung bis zum 30. Juni 1986 vereinbart. § 11 Abs. 1 des Vertrages bestimmte, daß das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden konnte, sofern sich nicht aus anderen Vorschriften eine längere Frist ergab.
Mit Schreiben vom 4. März 1986 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis gegenüber der Beigeladenen zu 3. fristlos wegen angeblich grober Unregelmäßigkeiten. Dem widersprach die Beigeladene zu 3. mit Schreiben vom 7. März 1986, in welchem sie auch ihre Arbeitskraft dem Kläger weiter anbot. Mit der gegen die Kündigung am 10. März 1986 vor dem Arbeitsgericht M. erhobenen Klage begehrte sie die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst sei sowie die Zahlung rückständigen Lohnes in Höhe von insgesamt 3.921,15 DM. In der Güteverhandlung des Arbeitsgerichts vom 19. März 1986 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 3. einen Vergleich folgenden Wortlauts:
1) “Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Beklagten endet durch ordentliche Kündigung fristgerecht zum 30. Juni 1986.
2) Der Beklagte zahlt an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz, § 3 Ziffer 9 Einkommensteuergesetz, in Höhe von 6.600,00 DM.
3) Die Parteien sind sich darüber einig, daß der Klägerin bis zum Ausscheidenszeitpunkt keine Vergütungsansprüche mehr zustehen.
4) Die Klägerin wird ab sofort von jeglicher Arbeitsleistung unter Anrechnung von möglicherweise noch vorhandenen bzw. bis zum Ausscheidenszeitpunkt noch entstehenden Urlaubsansprüchen freigestellt.
5) Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
6) Er verpflichtet sich weiterhin, die Arbeitspapiere der Klägerin ordnungsgemäß auszufüllen und dieser zu übergeben.
7) Damit sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung gleich aus welchem Rechtsgrund erledigt.”
Ausweislich einer bei der Beklagten am 26. August 1986 eingegangenen Berichtigungsmeldung des Klägers erhielt die Beigeladene zu 3. für den Monat März 1986 ihr volles Gehalt.
Aufgrund ihrer Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 7. März 1986 bewilligte die Beigeladene zu 2. am 11. Juni 1986 der Beigeladenen zu 3. das Arbeitslosengeld ab 15. April 1986. Für den Zeitraum bis zum 14. April 1986 stellte sie durch Bescheid vom 26. Juni 1986 das Ruhen des Leistungsanspruchs gemäß § 117 Abs. 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) fest. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe wegen der der Beigeladenen zu 3. zugesprochenen Abfindung und weil das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei.
Durch Bescheid vom 16. Juli 1986 forderte die Beklagte den Kläger auf, für die vergleichsweise vereinbarte Abfindung Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.336,40 DM zu zahlen. Bei dem Betrag von 6.600,00 DM habe es sich nicht um eine der Beitragspflicht nicht unterliegende echte Abfindung gehandelt; in Wahrheit sei damit laufendes Gehalt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1986 ausgeglichen worden. Es sei nicht einsichtig, weshalb die Beigeladene zu 3. für die Dauer des restlichen Arbeitsverhältnisses auf das Arbeitsentgelt habe verzichten sollen. Der Widerspruch des Klägers vom 24. Juli 1986 blieb ohne Erfolg. Im Widers...