Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Versorgungsabsicht. unheilbare Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs 2a SGB 6 bei Vorliegen einer schweren, offenkundig lebensbedrohliche Erkrankung mit ungünstiger Verlaufsprognose (Meningeosis carcinomatosa).
2. Unbeachtlich ist, dass der Kläger und die Versicherte auf eine Lebensdauer von mehr als einem Jahr gehofft haben mögen und dass der konkrete (frühere) Tod bereits 6 Monate nach der Heirat für sie überraschend eingetreten ist. Entscheidend ist die prognostische Lebenserwartung im Zeitpunkt der Eheschließung.
3. Zur Beachtlichkeit von behaupteten schon früheren Heiratsabsichten.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer sog. großen Witwerrente aus der Versicherung der 1960 geborenen und 2008 verstorbenen B. A. (im Folgenden: Versicherte).
Der 1960 geborene Kläger heiratete die Versicherte am xx. Juni 2008. Im August 2003 war bei ihr ein Mammakarzinom links diagnostiziert worden. Nach neoadjuvanter Chemo- und auch Strahlentherapie nahm die Versicherte ihre Erwerbstätigkeit als Stewardess bei der C. im Sommer 2004 wieder auf.
Wegen starker Kopfschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen und auch Sehstörungen einhergehend wurde die Versicherte nach bereits am 31. März 2008 erfolgter Notfallvorstellung am 3. April 2008 in die Klinik für Neurologie der J. W. G.-Universität F. stationär aufgenommen. Dort wurde die zytologisch gesicherte Diagnose einer Meningeosis carcinomatosa mit initial massiver Hirndrucksteigerung gestellt. In den Folgemonaten unterzog sich die Versicherte mehrerer Chemo- und Strahlentherapien. Ab Oktober 2008 wurde die Versicherte auch stationär nur noch palliativ therapiert. Zuletzt befand sie sich im Hospiz in W., wo sie letztlich auch verstarb.
Post mortem gewährte die Beklagte der Versicherten resp. dem Kläger mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 rückwirkend für die Zeit von September 2008 bis Dezember 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dabei sah sie als Rentenantrag den von der Versicherten noch am 19. September 2008 gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an. Den Leistungsfall machte die Beklagte am Beginn der (letzten dauerhaften) Arbeitsunfähigkeit am 28. März 2008 fest.
Der Kläger beantragte am 29. Januar 2010 die Gewährung einer Witwerrente. Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen zog die Beklagte einen Befundbericht der früheren Ärztin der Versicherten, Dr. D. (Fachärztin für Allgemeinmedizin) vom 7. Dezember 2010 bei. Nach Auswertung dieses Berichtes und der beigefügten medizinischen Dokumentation über den Krankheitsverlauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11. Januar 2011 unter Hinweis auf die Ehedauer ab. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe die Versicherte bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit gelitten, die Ehe habe zum Zeitpunkt des Todes weniger als ein Jahr bestanden. Bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente sei. Diese Annahme könne im Einzelfall widerlegt werden, wenn besondere Umstände gegen die gesetzliche Vermutung sprächen. Ein Ausnahmetatbestand dieser Art sei jedoch nicht gegeben.
In seinem Widerspruch hiergegen wies der Kläger auf die mehr als zwanzigjährige ehegleiche Gemeinschaft mit der Versicherten hin. Das Paar habe eine gemeinsame Wohnung gehabt, Urlaube seien ausschließlich gemeinsam verbracht worden, der gesamte Freundeskreis sei von einem Ehepaar ausgegangen. Die Eheschließung sei insoweit nichts anderes als der logische Schritt einer echten Beziehung gewesen. Dabei sei auch nicht absehbar gewesen, dass die Erkrankung der Versicherten bereits nach kurzer Zeit zum Tode führen würde. Im Zeitpunkt der Eheschließung hätte sich die Gesundheit der Versicherten stabilisiert gehabt, es habe sich weder um eine Notehe gehandelt, noch habe die Versicherte ein Nottestament errichtet. Die Ehe hätte auch schon früher geschlossen werden können. Einen Kinderwunsch habe das Paar aus beruflichen Gründen zurückgestellt. Beide seien bei der C. vollbeschäftigt und oft längere Zeit im nahen und fernen Ausland gewesen. Die förmliche Eheschließung habe stattfinden sollen, wenn mindestens die Versicherte ihre Anstellung bei der C. ohne Flugtätigkeit hätte behalten können. Dies habe angestanden, die Versicherte habe einen triftigen Grund gehabt, sich nach der Eheschließung zum Bodenpersonal versetzen zu lassen. Einen einer früheren Eheschließung entgegenstehenden Grund, wie etwa denkbare Zwischenliebesverhältnisse, habe es nicht gegeben. Das Liebesverhältnis zwischen der ...