Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. schwere Erkrankung. konsequente Verwirklichung einer bereits vor Erlangung der Kenntnis von einer lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Heiratsabsicht
Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist widerlegt, wenn sich die Heirat als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellt. Dafür genügt es allerdings nicht, dass eine Heirat zwar geplant war, konkrete Schritte zur Verwirklichung dieser Absicht aber nicht eingeleitet worden sind und die im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren vorgetragenen Gründe, warum es nicht früher zu einer Heirat gekommen ist, sich mit einer ernsthaften Heiratsabsicht nicht in Einklang bringen lassen.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl LSG Stuttgart vom 22.6.2010 - L 11 R 1116/08, vom 16.10.2012 - L 11 R 392/11 sowie vom 19.9.2013 - L 11 R 4929/12.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.03.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des am 15.07.2012 verstorbenen E. H. (im Folgenden: Versicherter).
Bei dem 1948 geborenen Versicherten wurde im Oktober 2010 ein Weichteilsarkom an der rechten Schulter radiochirurgisch reseziert. Histologisch wurde ein undifferenziertes partiell polymorphes Sarkom, Grad III nachgewiesen. Von Februar bis April 2011 erfolgte eine Radiatio der erweiterten Tumorregion der Schulter. Vom 27.04. bis 18.05.2011 absolvierte der Versicherte eine onkologische Anschlussheilbehandlung in der W.-Klinik D.. Im Februar 2012 wurde eine Lungenmetastase rechts festgestellt und operiert. Bei einer Kontrolle am 11.05.2012 wurde eine Rezidivmetastase festgestellt, welche die rechte Lunge zu zwei Drittel ausfüllte mit mediastinaler Verlagerung nach links und schlitzförmiger Kompression der Vena cava superior. Aufgrund der räumlichen Ausdehnung war weder eine Radiotherapie noch eine chirurgische Therapie indiziert. Am 17.05.2012 stellte sich der Versicherte in der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums M. vor und wurde dort bei Verschlechterung des Allgemeinzustands und Belastungsdyspnoe bis 14.06.2012 mit Chemotherapie behandelt. Anschließend wurde der Versicherte zur weiteren Behandlung in das wohnortnähere S. St. T. Klinikum P. verlegt, wo er vom 14.06. bis 13.07.2012 behandelt wurde unter Fortsetzung der Chemotherapie. Am 13.07.2012 erfolgte die Verlegung in die Palliativ-Abteilung, am 15.07.2012 verstarb der Versicherte.
Die 1954 geborene Klägerin führte nach eigenen Angaben mit dem Versicherten seit 1982 einen gemeinsamen Hausstand. Im Jahr 2010 erfolgte ein gemeinsamer Hauskauf. Am 02.07.2012 sprach die Klägerin beim Standesamt P. vor und legte eine ärztliche Bescheinigung des S. St. T. Klinikums vom 02.07.2012 vor, wonach auf dem Formular „Nottrauung“ bestätigt wurde, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten vorliege und nach ärztlicher Einschätzung die Nottrauung noch heute stattfinden müsse. Die Trauung wurde sodann noch am 02.07.2012 im Krankenhaus vollzogen.
Am 07.08.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von großer Witwenrente. In der Anlage zum Antragsformular gab sie an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung und Pflege des Ehegatten erfolgt, dessen Tod auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Mit Bescheid vom 16.04.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen sei spätestens seit dem Nachweis der Rezidivmetastase in der rechten Lunge am 11.05.2012, durch die sich der Allgemeinzustand des Versicherten sehr schnell verschlechtert habe, dessen Tod vorhersehbar bzw zu erwarten gewesen. Somit sei zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Ableben zu rechnen gewesen. Ein Anspruch auf Witwenrente bestehe nach § 46 Abs 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) daher nicht.
Mit ihrem Widerspruch vom 03.05.2013 machte die Klägerin geltend, zum Zeitpunkt des Nachweises der Rezidivmetastase sei der bevorstehende Tod des Versicherten für die Eheleute keineswegs vorhersehbar gewesen. Der Versicherte habe unverändert seine vollständige Behandlung erhalten. Den Eheleuten sei zu keinem Zeitpunkt offen gesagt worden, wie schlecht es um den Gesundheitszustand des Versicherten wirklich stehe. Dabei habe die Klägerin als examinierte Altenpflegerin mit einer Berufserfahrung von über zehn Jahren täglich mit schwer krebskranken Menschen zu tun. Auf ihrer Station würden schwer krebskranke Menschen gepflegt, die zum Teil ebenfalls an Lungenkrebs erkrankt seien. Viele lebten bereits seit Jahren mit dieser Diagnose. Sie habe für die Pflege ihres Mannes für zuhause noch den kompletten Pflegebedarf bestellt und sich darauf eingestellt gehabt, ihn vollständig zu pflegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29....