Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Heiratsabsicht bereits vor der Kenntnis einer lebensbedrohlichen Erkrankung. konkrete Schritte bezüglich der Hochzeitsplanung aber erst nach Kenntniserlangung
Leitsatz (amtlich)
"Besondere Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen, sind noch nicht anzunehmen, wenn zwar vor der Kenntnis einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten eine Heirat beabsichtigt war, konkrete Schritte bezüglich der Hochzeitsplanung aber erst nach Kenntniserlangung eingeleitet wurden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.01.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des am 22.02.2008 verstorbenen Ehegatten der Klägerin H. R. (im Folgenden: Versicherter).
Die am … 1950 geborene Klägerin lebte mit dem Versicherten 17 Jahre in einem Haushalt zusammen und heiratete ihn am 19.10.2007. Bei einer MRT-Untersuchung am 06.08.2007 fanden sich beim Versicherten multiple Knochenmetastasen. Im Rahmen der Tumorsuche wurde ein primär-pulmonales Adenokarzinom im rechten Lungenunterlappen und -mittellappenbronchus diagnostiziert und eine Chemotherapie eingeleitet.
Der Versicherte beantragte seinerzeit ausweislich des Gesamtkontospiegels am 22.10.2007 eine medizinische Leistung zur Rehabilitation. Diesen lehnte die Beklagte ab und deutete ihn in einen Rentenantrag um. Die Beklagte gewährte dem Versicherten mit Bescheid vom 03.12.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 24.07.2007.
Einen nach dem Tod des Versicherten gestellten Antrag auf Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2008 wegen Vorliegens einer Versorgungsehe ab. Die diesbezügliche Verwaltungsakte wurde zwischenzeitlich vernichtet.
Mit am 16.03.2016 eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Ablehnung. Es sei keine Versorgungsehe gewesen. Mit Bescheid vom 20.04.2016 lehnte die Beklagte den Antrag gemäß § 44 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 03.06.2008 ab. Der Tod des Ehegatten sei ca. vier Monate nach der Heirat eingetreten. Bei einem solchen Sachverhalt gehe der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass die Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung der überwiegende Grund für die Heirat gewesen sei, sofern der Tod nicht durch ein unvorhersehbares Ereignis eingetreten sei. Die Gründe, die gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechen würden, seien anlässlich des seinerzeitigen Rentenverfahrens geprüft worden. Der Hinterbliebene trage die objektive Beweislast für die Widerlegung der Annahme einer Versorgungsehe. Neue Sachverhalte, die gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechen würden, seien im Schreiben der Klägerin nicht angeführt.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20.04.2016 Widerspruch. Sie führte aus, dass sie schon vorher hätte heiraten wollen. Aber ihr Mann habe im Ehejahr zwei schwere Arbeitsunfälle gehabt. Bei den diesbezüglichen Untersuchungen sei keine Rede von Lungenkrebs gewesen. Sie beziehe selbst Rente. Somit sei es keine Versorgungsehe gewesen.
Die Klägerin legte ein Schreiben des damaligen Hausarztes des Versicherten, Dr. G., vom 16.07.2008 im Rahmen der Witwenrentenantragstellung bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LSV) vor. Darin hatte der Arzt ausgeführt, wenn Bronchialkarzinome durch Skelettmetastasen auf sich aufmerksam machen würden, sei im Allgemeinen mit einer Überlebenszeit von 6-10 Monaten zu rechnen. Dass der Verlauf innerhalb dieser tödlich sein werde, sei im August 2007 sicher gewesen. Die LSV übersandte der Beklagten ebenfalls diese Bestätigung und eine gleichlautende Bestätigung vom 07.07.2008 an die Beklagte. Mit Schreiben vom 28.06.2016 teilte die Klägerin mit, dass die Chemotherapie erst im November eingeleitet worden sei. Ihr verstorbener Mann sei in das Krankenhaus P. auf ihr Drängen hin eingewiesen worden. Dr. G. habe immer gesagt, das könne dauern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 19.10.2007 seien die tödlichen Folgen der Erkrankung vorhersehbar gewesen. Der Versicherte sei innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung verstorben. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestehe daher nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.09.2016 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgebracht, dass sie sich bereits im Januar 2017 entschieden hätten, im Oktober zu heiraten. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht bekannt gewesen, dass ihr Mann krank gewesen sei. Sie sei keine Versorgungsehe eingegangen. Sie habe mit dem verstorbenen Ehemann 17 Jahre ein eheähnliches Verhältnis gelebt. Hätte sie versorgt sein wollen, hätte sie gleich geheiratet....