Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.08.2023; Aktenzeichen B 4 AS 169/23 BH)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 13. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt ein Darlehen wegen Kreditzinsen für eine Immobilie.

Der Kläger ist ohne festen Wohnsitz und erhält von dem Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 7. Februar 2022 beantragte er bei dem Beklagten ein Darlehen für Stromrückstände nach § 24 Abs. 1 SGB II sowie ein Darlehen für Mietrückstände nach § 22 Abs. 8 SGB II hinsichtlich einer Unterkunft in der B-Straße in B-Stadt. Zur Begründung führte er aus, die Kostenrückstände seien durch Zwangsversteigerung verursacht worden. Wohnungslosigkeit sei bereits seit 16. August 2016 gegeben. Mit Bescheid vom 6. Mai 2022 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Darlehens für Kreditzinsen nach § 22 Abs. 8 SGB II ab, weil auf Übernahme von Schulden für Kreditzinsen kein Anspruch bestehe. Die Rückstände seien vor dem hiesigen Leistungsbezug entstanden, daher drohe keine aktuelle Wohnungslosigkeit. Mit einem weiteren Bescheid vom 6. Mai 2022 lehnte der Beklagte die Bewilligung eines Darlehens für Stromrückstände nach § 24 Abs. 1 SGB II ab. Es handele sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf, weil die Schulden aus der Zeit vor dem Leistungsbezug bei dem Beklagten stammten.

Die Widersprüche des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2022 zurück.

Am 25. Mai 2022 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Wiesbaden erhoben.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch nach § 22 Abs. 8 SGB II scheitere u. a. daran, dass dieser eine präventive Zwecksetzung habe, nämlich Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage zu vermeiden. Daher werde auch vorausgesetzt, dass laufende Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht würden, § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II. Dieses Ziel sei bei dem Kläger nicht erreichbar, weil er nicht in einer Wohnung lebe. Soweit der Kläger Schadensersatz geltend mache, sei die Klage unzulässig. Aufgrund des unklaren Klageziels sei eine Verweisung des Rechtsstreits nicht angezeigt.

Am 10. August 2022 hat der Kläger Berufung beim Sozialgericht Wiesbaden eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 13. Juli 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 6. Mai 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2022 zu verurteilen, ihm ein Darlehen für Kreditzinsen hinsichtlich des Wohnhauses B-Straße in B-Stadt in Höhe von 300,00 Euro monatlich ab dem 1. Juli 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2022 hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten die Berufung dem Berichterstatter übertragen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung einen Ablehnungsantrag gegen „alle Richter“ gestellt und zur Begründung ein Schreiben von ihm an die Techniker Krankenkasse vom 6. März 2014 und eine ärztliche Bescheinigung vom 17. März 2023 überreicht. Während der mündlichen Verhandlung hat er den Sitzungssaal verlassen. Der Senat hat in der geschäftsplanmäßigen Besetzung den Ablehnungsantrag als unzulässig verworfen und anschließend über die Berufung entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat konnte in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Ablehnungsantrag (§ 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -) gestellt hat. Denn dieser Ablehnungsantrag war offensichtlich unzulässig. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt und mit Art. 101 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, dass über offensichtlich unzulässige oder rechtsmissbräuchliche Ablehnungsanträge, bei denen sich jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens, jede Auseinandersetzung mit der Begründung des Ablehnungsgesuches und jede Bewertung oder Erklärung des Verhaltens des abgelehnten Richters erübrigt, unter Mitwirkung des Abgelehnten entschieden werden kann (siehe z. B. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2021, 1 BvR 526/19, juris, Rn. 24).

So liegen die Dinge hier. Zum einen lehnt der Kläger „alle Richter“ ab, ohne darüberhinausgehende Befangenheitsgründe zu nennen, worin bereits eine offensichtlich unzulässige Pauschablehnung liegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2021, 1 BvR 526/19, juris, Rn. 24). Zum anderen ist das Gesuch bereits deshalb offensichtlich unzulässig, weil das zur Begründung vorgelegte Schreiben des Kl...

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