Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.08.2023; Aktenzeichen B 4 AS 169/23 BH)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 31. August 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer Leistungsbewilligung.

Der Kläger ist ohne festen Wohnsitz und erhält von dem Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger beantragte unter dem 18. Februar 2022 eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget für die Anbahnung einer versicherungspflichtigen Arbeit nach § 16 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) i. V. m. § 44 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Beklagte bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 18. Februar 2022 Leistungen in Höhe von insgesamt 180,00 Euro für die Anschaffung von Schuhen (80,00 Euro), einer Hose (60,00 Euro) sowie eines Hemdes (40,00 Euro) als Unterstützung für ein Vorstellungsgespräch am 21. Februar 2022. Der Bescheid enthält die Auflage, dass der Kläger bis zum 4. März 2022 die sachgerechte und zweckentsprechende Mittelverwendung unaufgefordert durch Vorlage von Rechnungen/Quittungen nachweist, andernfalls könne die Bewilligung widerrufen werden, § 47 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Schreiben vom 30. März 2022 hörte der Beklagte den Kläger zum beabsichtigten Widerruf der Bewilligung an, weil der Kläger die Mittelverwendung nicht nachgewiesen habe. Mit Bescheid vom 5. Mai 2022 hob der Beklagte die Bewilligung im Bescheid vom 18. Februar 2022 ganz auf (§ 48 Abs. 1 SGB X) und forderte den Kläger auf, den Betrag von 180,00 Euro zu erstatten (§ 50 SGB X). Es lägen keine Gründe vor, die im Rahmen des eingeräumten Ermessens eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Den Widerspruch des Klägers vom 1. Juni 2022 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2022 zurück. Hierin führte er aus, der angefochtene Bescheid werde dahin geändert, dass der Bescheid vom 18. Februar 2022 nach § 47 Abs. 2 SGB X widerrufen werde.

Am 30. Juni 2022 hat Kläger Klage beim Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, Schuhe, Hose und Hemd seien ihm am 28. Mai 2021 gestohlen worden, das Geld (180,00 Euro) sei daher als Schadenersatz für die von dem Beklagten gestohlenen Kleider und Schuhe zweckgebunden einbehalten worden.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 31. August 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es hinsichtlich des Bescheides vom 5. Mai 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2022 nach § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides verwiesen. Im Übrigen sei das Klagebegehren unzulässig.

Am 20. September 2022 hat der Kläger Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung trägt er unter Vorlage einer Quittung vor, am 18. Februar 2022 Schuhe zu einem Preis von 49,97 Euro erworben zu haben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 31. August 2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2022 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die an das Bistum C. gezahlte Miete nachzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2022 hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten die Berufung dem Berichterstatter übertragen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung einen Ablehnungsantrag gegen „alle Richter“ gestellt und zur Begründung ein Schreiben von ihm an die Techniker Krankenkasse vom 6. März 2014 und eine ärztliche Bescheinigung vom 17. März 2023 überreicht. Während der mündlichen Verhandlung hat er den Sitzungssaal verlassen. Der Senat hat in der geschäftsplanmäßigen Besetzung den Ablehnungsantrag als unzulässig verworfen und anschließend über die Berufung entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat konnte in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Ablehnungsantrag (§ 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -) gestellt hat. Denn dieser Ablehnungsantrag war offensichtlich unzulässig. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt und mit Art. 101 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, dass über offensichtlich unzulässige oder rechtsmissbräuchliche Ablehnungsanträge, bei denen sich jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens, jede Auseinandersetzung mit der Begründung des Ablehnungsgesuches und jede Bewertung oder Erklärung des Verhaltens des abgelehnten Richters erübrigt, unter Mitwirkung des Abgelehnten entschi...

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