Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbot für den Verleiher einen befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Angabe des Befristungsgrundes. Unwirksamkeit einer Kündigung durch den Verleiher. Auflagen nur bei Verschulden des Verleihers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Urteil des BVerfG vom 4. April 1967 – 1 BvR 84/65 – ist durch das ÄUG und AFG § 13 Abs. 1 weitgehend überholt.

2. Eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 3 in Verb, mit § 11 Abs. 1 Nr. 4 AÜG (Angabe des sachlichen Grundes für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses) darf den Verleiher nicht unzumutbar beeinträchtigen.

3. Als Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages über eine Woche hinaus genügt es nach Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 3 ÄUG nicht, wenn der Leiharbeitnehmer nur prüfen will, ob ihm die Arbeit zu schwer oder er ihr gesundheitlich nicht gewachsen ist. Die Gründe für eine längere Befristung sind in einer von der BA nachprüfbaren Weise in der Urkunde oder dem Vertrag nach Art. 1 § 11 Abs. 1 AÜG zu substantiieren.

4. Gehen Verleiher und Leiharbeitnehmer von der Unwirksamkeit einer Kündigung gemäß Art. 1 § 9 Nr. 3 AÜG aus, so liegt kein Verstoß gegen Art. 1 § 3 Nr. 3 AÜG vor.

5. Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 4 AÜG ist nur dann anwendbar, wenn der Verleiher die Kündigung ausgesprochen hat.

6. Ein Verstoß gegen das Verbot der Deckungsgleichheit nach Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 5 AÜG kann nur dann zu einer Auflage führen, wenn den Verleiher hierbei ein Verschulden trifft.

 

Normenkette

AUG Art. 1 § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nrn. 3-5, Abs. 9 Nr. 3, § 11 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

SG Darmstadt (Urteil vom 26.02.1980; Aktenzeichen S-3/5/Ar - 115/78)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Februar 1980 – Az.: S-3/5/Ar – 115/78 – und der Bescheid vom 25. August 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 1978 in der Fassung vom 17. August 1981 dahingehend geändert, daß der Bescheid vom 25. August 1977 zu Nr. 3 und zu c) aufgehoben wird.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte hat der Klägerin mit Urkunde vom 11. Mai 1976 die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern unbefristet verlängert und dabei keine Auflagen erteilt. Am 26. Mai 1977 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Sie stellte dabei verschiedene Verstöße gegen das Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – ÄUG) mit Bescheid vom 25. August 1977 fest und verband die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung mit verschiedenen, sich hieraus ergebenden Auflagen. Hiergegen wendet sich die Klägerin.

Mit ihrem Bescheid vom 25. August 1977 in der Fassung vom 17. August 1981 beanstandete die Beklagte, daß die Klägerin

  1. ihren Arbeitnehmern einen 10-prozentigen Aufschlag für Urlaubsentgelt und Feiertagsvergütung gewähre, zwei Arbeitnehmern demzufolge keine Feiertagsvergütung für die Osterfeiertage 1976 bzw. 1977 gewährt wurde und das Jugendarbeitsschutzgesetz bei der Verleihung des Arbeitnehmers Geislinger nicht beachtet worden sei.
  2. in 10 Fällen mit den Leiharbeitnehmern befristete Arbeitsverträge abgeschlossen habe, ohne daß sich für die Befristung aus der Person des Leiharbeitnehmers ein sachlicher Grund ergeben habe – Verstoß gegen Artikel 1 § 3 Abs. 1 Ziffer 3 AÜG –.
  3. ihrem Leiharbeitnehmer S. gekündigt und ihn innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erneut eingestellt habe – Verstoß gegen Artikel 1 § 3 Abs. 1 Ziffer 4 AÜG –.
  4. in 4 Fällen die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit den Leiharbeitnehmern auf die Zeit der erstmaligen Überlassung an einen Entleiher beschränkt habe – Verstoß gegen Artikel 1 § 3 Abs. 1 Ziffer 5 AÜG –.
  5. den wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses bei dem Leiharbeitnehmer H. S. nicht in eine Urkunde aufgenommen habe – Verstoß gegen Artikel 1 § 11 Abs. 1 AÜG – und eine schriftliche Vereinbarung über das Arbeitsverhältnis von der Klägerin nicht vorgelegt werden konnte – Verstoß gegen Artikel 1 § 16 Abs. 1 Ziffer 8 AÜG –.

Die Beklagte verband daraufhin die erteilte Erlaubnis – ebenfalls mit Bescheid vom 25. August 1977 – mit folgenden Auflagen:

  1. Die Arbeitsverträge sollten bezüglich Urlaubsentgelt und Feiertagsvergütung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen geändert werden, die Vorschriften des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Jugendarbeitsschutzgesetz seien einzuhalten (Artikel 1 § 3 Abs. 1 Ziffer 1 AÜG).
  2. Mit den Leiharbeitnehmern dürften nur dann befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, wenn sich für die Befristung aus der Person des Leiharbeitnehmers ein sachlicher Grund ergebe (Artikel 1 § 3 Abs. 1 Ziffer 3 AÜG); der erforderliche sachliche Grund sei in ausreichender und nachprüfbarer Weise darzulegen.
  3. Sofern mit dem Leiharbeitnehmer unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen und diese Verträge durch Kündigung seitens des Verleihers beendet ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?