Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungspflichten. Arbeitsunfähigkeit. Krankengeld
Leitsatz (amtlich)
1. Wirkt ein Versicherter bei der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts nicht ausreichend mit, so geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen er günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten.
2. Liegen für den Versicherten keine Gründe zur Rechtfertigung der Verweigerung der Mitwirkung vor, so darf die Leistungsgewährung auch deswegen versagt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die notwendigen Feststellungen von dem Versicherungsträger nicht auf andere Art und Weise getroffen werden können.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2; SGB I §§ 62, 65, 66 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Urteil vom 19.09.1980; Aktenzeichen S 2/Kr - 4/79) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. September 1980 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, der Klägerin in der Zeit vom 10. Juni bis zum 27. September 1978 kein Krankengeld auszuzahlen.
Die im Jahre 1933 geborene Klägerin befand sich wegen des Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall zur stationären Heilbehandlung in der Zeit vom 28. März bis zum 24. Mai 1978 in der Klinik Sch. B.. Von dort wurde der Beklagten unter dem 29. Mai 1978 mitgeteilt, daß die Klägerin nach der Entlassung am 24. Mai 1978 noch für weitere 15 Tage arbeitsunfähig sei; danach bestehe Arbeitsfähigkeit. Der Ladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung bei der Sozialärztlichen Dienststelle in L. zum 6. Juni 1978 folgte sie nicht, da sie nicht gehfähig gewesen sei. Hierauf veranlaßte die Beklagte einen neuen Untersuchungstermin für den 9. Juni 1978. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 7. Juni 1978 teilte sie dieser mit, daß mangelnde Gehfähigkeit als erwiesen nur anerkannt werden könne, wenn sie durch den behandelnden Arzt bestätigt werde; um eine solche Bescheinigung bitte sie. Außerdem hieß es in diesem Schreiben: „Der Vertrauensarzt teilte uns ferner mit, er hätte durch die Nachbarin mitteilen lassen, sich bei uns zu melden. Wir haben jedoch von Ihnen bis heute keine Mitteilung erhalten. Sie sind somit Ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen.
Wir lassen Ihnen als Anlage eine erneute Vorladung zum Vertrauensarzt für Freitag, den 09.06.1978 zugehen. Sollten Sie diesen Termin wieder ohne ärztlich bestätigte Entschuldigung nicht wahrnehmen, werden wir die Zahlung des Krankengeldes ab 10.6.1978 einstellen, sofern bis zu diesem Zeitpunkt noch Anspruch besteht.”
Auch den neuerlichen Untersuchungstermin nahm die Klägerin nicht wahr. Hierauf stellte die Beklagte die Krankengeldzahlungen ab dem 10. Juni 1978 ein. Unter dem 3. Juli 1978 teilte sie der Klägerin mit, da sie dem Untersuchungstermin vom 9. Juni 1978 ohne Vorlage einer ärztlichen Entschuldigung ferngeblieben sei, sei die angekündigte Krankengeldsperre wirksam geworden. Der weiteren Vorladung zu Nachuntersuchung bei der Sozialärztlichen Dienststelle zum 1. August 1978 folgte die Klägerin ebenfalls nicht.
Gegen die ihr formlos übersandte und ohne Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung der Beklagten vom 3. Juli 1978 legte die Klägerin am 2. Oktober 1978 Widerspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Die Beklagte wies ihn mit Bescheid vom 20. Dezember 1978 zurück.
Gegen diesen am 29. Dezember 1978 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Wiesbaden – SG – am 24. Januar 1979 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht: Sie habe die Nachuntersuchungstermine nicht wahrnehmen können, da sie krankheitsbedingt nicht gehfähig gewesen sei. Das könnten ihr Hausarzt Dr. B. (L.) und der mit ihr zusammenlebende Günter Pritzwara bestätigen. Das SG hat die Auskunft des Hausarztes Dr. B. vom 10. März 1979 eingeholt. Er hat mitgeteilt, daß er die Klägerin am 13. Juni 1978 besucht habe und darüber, ob sie am 6. und 9. Juni 1978 gehfähig gewesen sei, keine verbindliche Aussage machen könne. Sodann hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. September 1980) und sich für den hier streitigen Zeitraum auf die mangelnde Mitwirkung der Klägerin berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihr am 6. Oktober 1980 zugestellte Urteil hat die Klägerin schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht am 22. Oktober 1980 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich zu ihrer Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Das SG habe zu Unrecht ihr Beweisangebot, ihren Freund P. als Zeugen zu hören, übergangen. Dieser sei in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich dafür benannt worden, daß sie an den Tagen der vorgesehenen Untersuchungstermine nach dem Aufstehen aus dem Bett zusammengebrochen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. September 1980 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1978 in d...