Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.08.2022; Aktenzeichen B 4 AS 112/22 BH)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. August 2021 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag des Klägers nach § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird als unzulässig verworfen.

3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

4. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung des Darlehensbescheides vom 6. April 2020, um die Erklärung des Verhaltens des Beklagten für rechtwidrig, um die Verpflichtung des Beklagten, die laufenden Leistungen aus dem Bescheid vom 6. Februar 2020 zu erbringen, um die Untersagung, das Darlehen einzuziehen, und um die Aufhebung der Aufrechnungserklärung sowie um die Erklärung der Rechtswidrigkeit der Aufrechnungserklärung.

Die vom Kläger deshalb vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (S 19 AS 490/21) wies das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid vom 17. August 2021 ab.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung erhoben und als Adresse „A-Stadt“ angegeben.

Durch Schreiben vom 19. Oktober 2021 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Rechtsschutzbegehren neben seinem Namen auch seine aktuelle Anschrift, unter der er geladen werden könne, enthalten müsse. Er werde daher aufgefordert, bis zum 15. November 2021 eine aktuelle Anschrift, unter der er geladen werden könne, mitzuteilen. Andernfalls könne sein Rechtsschutzbegehren als unzulässig verworfen werden. Dieser Hinweis sowie die Anhörung zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter wurden dem Kläger öffentlich zugestellt.

Mit Beschluss vom 30. November hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter übertragen. Außerdem wurde der Kläger mit Hinweis vom 30. November 2021 nochmals aufgefordert, seine ladungsfähige Anschrift bis 5. Januar 2022 mitzuteilen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Frist um eine Ausschlussfrist handelt. Auch dieser Hinweis wurde dem Kläger öffentlich zugestellt. Eine Angabe einer Adresse erfolgte nicht.

Der Kläger stellt in dem Berufungsverfahren keinen ausdrücklichen Antrag.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. August 2021 als unzulässig zu verwerfen.

Das Rubrum wurde entsprechend den Schriftsätzen der ehemaligen Beklagten zu 2) vom 3. Februar 2022 (kein Beteiligter mehr) und des ehemaligen Beklagten zu 1) vom 16. März 2022 (nunmehr alleiniger Beklagter) geändert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, der jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2022 entscheiden, da dieser bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der Senat konnte in der Besetzung mit nur einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG entschieden hatte und die Berufung mit Beschluss des Senats vom 30. November 2021 auf den Berichterstatter übertragen wurden (vgl. § 153 Abs. 5 SGG).

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 17. August 2021 und der Antrag nach § 72 SGG sind unzulässig.

Es fehlt bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren, da der Kläger in seiner Korrespondenz mit dem Senat bewusst keine Wohnanschrift nennt. An dieser im Wesentlichen ungeschriebenen weiteren Sachurteilsvoraussetzung fehlt es in dem vorliegenden Fall.

Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden (Klägers, Antragstellers, usw.) genannt wird (Bundessozialgericht, Beschluss vom 18. November 2003, B 1 KR 1/02 S, Juris, Rdnr. 4 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur, so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. November 2019, L 31 AS 2127/18, Juris, Rdnr. 11; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 2. August 2017, L 9 AL 212/14, Juris, Rdnrn. 43 ff.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016, L 7 SO 4619/15, Juris, Rdnr. 20; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. April 2012, L 8 SO 182/11, Juris, Rdnr. 27).

Auch in dem sich allgemein durch Bürgerfreundlichkeit und fehlende Formenstrenge auszeichnenden sozialgerichtlichen Verfahren ist es in mehrfacher Hinsicht geboten, §§ 90, 92 SGG nach ihrem Sinn und Zweck so auszulegen, dass sie den Rechtsuchenden zumindest dazu verpflichten, eine Anschrift zu nennen (BSG, a.a.O., Rdnr. 5). Der Angabe des Wohnsitzes bzw. Aufenthalts- oder Beschäftigungsortes des Rechtsuchenden be...

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