Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Streit um Kostenübernahme für psychotherapeutische Behandlung durch kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin. Obliegenheit der Krankenkasse zur rechtzeitigen Leistungserbringung (auch unaufschiebbarer Leistungen). Obliegenheit des Versicherten, sich bei seiner Krankenkasse nach der konkreten Leistungsmöglichkeit zu erkundigen
Orientierungssatz
1. Zum Streit um die Übernahme von Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung durch eine kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin.
2. Nicht rechtzeitig erbracht hat die Krankenkasse die Leistung, wenn diese den Versicherten, obwohl sie alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten, nicht in der - der Dringlichkeit - angemessenen Zeit (insofern sind neben medizinischen auch andere Gründe relevant) zuteil geworden ist. Die Fähigkeit der Kasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, ist grundsätzlich nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Dass der Versicherte von der konkreten Leistungsmöglichkeit (subjektiv) keine Kenntnis hat (zB einen zugelassenen Leistungserbringer sucht, aber nicht findet), ist regelmäßig unerheblich, wenn und solange er sich, was seiner Obliegenheit entspricht, bei seiner Kasse nicht erkundigt hat.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 7. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung durch eine kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin.
Der bei der Beklagten versicherte Kläger litt an einer längeren depressiven Reaktion.
Am 21. Oktober 2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er einen Facharzttermin in D-Stadt wahrgenommen habe. Der Facharzt habe aber die Diagnose der Diplom-Psychologin E. nicht beachtet und sich bereits nach einem 20-minütigen Gespräch seine Meinung gebildet. Er habe immer noch keinen Psychotherapeuten gefunden. Frau E. würde ihn behandeln, sie betreibe allerdings eine Privatpraxis. Er fragte die Beklagte, ob es möglich sei, dass sie die Kosten übernehme, welche die Krankenkasse üblicherweise an den Therapeuten zahle.
Mit E-Mail vom 23. Oktober 2015 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Diplom-Psychologin E. keine Kassenzulassung besitze. Die ambulante Psychotherapie stelle auch keine Maßnahme der Notfallbehandlung dar. Insoweit seien auch längere Wartezeiten bzw. Fahrtstrecken zumutbar. In dringenden Fällen sei ein Facharzt aufzusuchen und eine Krisenintervention durchzuführen. Zudem übersandte sie eine Liste zugelassener Therapeuten in der Umgebung des Wohnortes des Klägers und verwies auf die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung, über welche Vertragstherapeuten abgerufen werden könnten.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er bereits seit Monaten erfolglos nach einem Therapeuten suche. Er sei nun bereits mehrfach zur Behandlung in der Praxis der Diplom-Psychologin E. gewesen. Ein Neubeginn der Behandlung bei einem anderen Therapeuten sei seiner Genesung abträglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass grundsätzlich nur ein Anspruch auf Kostenübernahme für Psychotherapeuten mit Kassenzulassung bestehe. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) scheitere zudem daran, dass es sich nicht um eine unaufschiebbare, nicht rechtzeitig erbrachte Leistung der Krankenkasse handele. Im Falle einer Behandlung aus dringenden medizinischen Gründen durch einen nicht zugelassenen Therapeuten könne dieser zudem direkt gegenüber der Krankenkasse abrechnen und die Vergütung nicht vom Versicherten verlangen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Über die Notfallbehandlung hinaus bestehe dann jedoch kein Anspruch auf weitere Vergütung. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bestehe im Bereich der ärztlichen Psychotherapeuten und der psychologischen Psychotherapeuten für Erwachsene nach wie vor eine Überversorgung. Es müsse auch eine längere Anfahrt in Kauf genommen werden. Von einer nicht rechtzeitig erbrachten Leistung der Beklagten sei nicht auszugehen.
Am 25. April 2016 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Er hat darauf verwiesen, dass ein Versorgungsmangel bestanden habe. Er habe sich bereits im Juni 2015 mit einer Vielzahl zugelassener Therapeuten in Verbindung gesetzt. Diese hätten die Behandlung jedoch abgelehnt. Auch die Beklagte habe dem Kläger keine angemessene Behandlung vermitteln können. Ein Wechsel des Therapeuten sei inzwischen aufgrund der bereits begonnenen Behandlung n...