Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. kein Anspruch auf Kostenübernahme für psychotherapeutische Behandlung durch kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V für die Behandlung durch einen nicht zugelassenen Psychotherapeuten besteht nicht, da die selbstbeschaffte Leistung nicht zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl § 76 Abs 1 S 1 SGB V).

2. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V besteht nur, wenn der Krankenkasse die rechtzeitige Leistungserbringung durch einen Vertragsbehandler als Sachleistung unmöglich war.

3. Der Versicherte muss alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan haben, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten. Er muss sich ua auch bei der Krankenkasse über die Möglichkeiten zur Sachleistungserbringung erkundigen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung durch eine kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin.

Der Kläger leidet an einer längeren depressiven Reaktion. Zudem besteht der Verdacht auf Vorliegen des Asperger Syndroms.

Mit E-Mail vom 21. Oktober 2015 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die psychotherapeutische Behandlung bei der Diplom-Psychologin Frau D. Frau D. hat keine Kassenzulassung und betreibt eine Privatpraxis. In seiner E-Mail gab der Kläger an, er habe immer noch keinen Psychotherapeuten gefunden.

Mit E-Mail vom 23. Oktober 2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da Frau D. keine Kassenzulassung besitze. Zudem übersandte sie eine Liste mit zugelassenen Therapeuten in der Umgebung des Klägers sowie einen Link zur Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung, auf welcher Vertragstherapeuten abgerufen werden könnten. In dringenden Fällen sei ein Facharzt aufzusuchen und eine Krisenintervention durchzuführen.

Mit E-Mail vom 23. Oktober 2015 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er suche bereits seit Monaten erfolglos nach einem Therapeuten. Er sei nun bereits mehrfach zur Behandlung in der Praxis von Frau D. gewesen. Ein Neubeginn der Behandlung bei einem anderen Therapeuten sei der Genesung abträglich.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünde grundsätzlich nur ein Anspruch auf Kostenübernahme für Psychotherapeuten mit Kassenzulassung. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V scheitere zudem daran, dass es sich nicht um eine unaufschiebbare, nicht rechtzeitig erbrachte Leistung der Krankenkasse handele. Im Falle einer Behandlung aus dringenden medizinischen Gründen durch einen nicht zugelassenen Therapeuten könne dieser zudem direkt gegenüber der Krankenkasse abrechnen und die Vergütung nicht vom Versicherten verlangen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Über die Notfallbehandlung hinaus bestehe dann jedoch kein Anspruch auf weitere Vergütung. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bestehe im Bereich der ärztlichen Psychotherapeuten und der psychologischen Psychotherapeuten für Erwachsene nach wie vor eine Überversorgung. Es müsse auch eine längere Anfahrt in Kauf genommen werden. Daher sei nicht von einer nicht rechtzeitig erbrachten Leistung der Beklagten auszugehen.

Hiergegen hat der Kläger am 25. April 2016 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, es habe ein Versorgungsmangel bestanden. Der Kläger habe sich bereits im Juni 2015 mit einer Vielzahl an zugelassenen Therapeuten in Verbindung gesetzt. Diese hätten die Behandlung jedoch abgelehnt. Auch seitens der Beklagten habe dem Kläger keine angemessene Behandlung vermittelt werden können. Ein Wechsel sei inzwischen aufgrund der bereits begonnenen Behandlung nicht mehr förderlich. Bei der Inanspruchnahme von Frau D. im Juli 2015 habe ein medizinischer Notfall vorgelegen. Der Kläger hat eine Liste von fünf namentlich benannten Psychotherapeuten vorgelegt, die er erfolglos kontaktiert habe. Zudem hat er mitgeteilt, er habe erfolglos versucht, mit 12 weiteren (nicht namentlich benannten) Praxen Kontakt aufzunehmen. Weitere Beweise habe er nicht gesichert, da er nicht mit einem Klageverfahren gerechnet habe. Auf die Angaben des Klägers auf Bl. 28 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid vom 23. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 aufzuheben

2. und der Beklagten aufzugeben, die dem Kläger im Rahmen der Behandlung durch Frau D. bislang entstandenen Kosten zu erstatten

3. sowie die Beklagte zu verpflichten, weiterhin die entstehenden Kosten der weiterführenden Behandlung des Klägers durch Frau D. zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ...

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