Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Kostenübernahmeanspruch auf eine ambulante Liposuktion. Absehen von Unterrichtung der Versicherten über Einholung des MDK-Gutachtens. Nichtanwendung der Drei-Wochen-Frist nach § 13 Abs 3a S 2 SGB 5. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 21/17 R
Orientierungssatz
1. Ein Kostenübernahmeanspruch auf eine ambulante Liposuktion scheitert daran, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die neue Methode der Fettabsaugung nicht positiv empfohlen hat. Eine Leistungspflicht besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sogenannten Systemversagens.
2. Das Lipödem-Syndrom erreicht nicht den in § 2 Abs 1a SGB 5 beschriebenen Schweregrad.
3. Hat eine Krankenkasse eine Versicherte über die Einholung des MDK-Gutachtens nicht unverzüglich unterrichtet, sondern von der Unterrichtung abgesehen, führt dies nicht dazu, dass die Drei-Wochen-Frist nach § 13 Abs 3a S 2 SGB 5 anzuwenden wäre (vgl LSG Stuttgart vom 21.2.2017 - L 11 KR 2090/16 = KrV 2017, 123).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Januar wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten i.H.v. 11.400 € für drei Liposuktionen.
Die 1967 geborene Klägerin beantragte mit Schreiben vom 16. September 2013, bei der Beklagten eingegangen am 19. September 2013, die Kostenübernahme für eine Liposuktion im Bereich der Hüften, des Gesäßes, der Oberschenkel, Knie, Waden, Arme und Beine. Dem Antrag waren verschiedene medizinische Unterlagen beigefügt, u.a. ein fachärztliches Gutachten des Chirurgen/Phlebologen Dr. CK aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X." nebst im Einzelnen spezifizierter Kostenvoranschläge nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für Liposuktionen an den genannten Regionen.
Die Beklagte beauftragte noch am 19. September 2013 den Medizinischen der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens zur Notwendigkeit einer Liposuktion. Der MDK holte bei der Klägerin am 23. September 2013 eine Selbstauskunft zu der begehrten Leistung ein und verfasste unter dem 14. Oktober 2013 ein Gutachten nach Aktenlage, in dem die Ärztin im MDK Dr. WT zu dem Ergebnis kam, bei der Klägerin liege ein Liplymphödem sowie eine Lipohypertrophie der Beine bei venöser Abflussstörung der Beine Grad II, Liphypertrophie/Lipödeme der Arme sowie Adipositas vor. Es handele sich um eine Adipositas mit harmonischer Fettverteilung. Maßnahmen der Chirurgie seien nicht geeignet, die geklagten, auch seelischen Beschwerden auf Dauer zum Abklingen zu bringen.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2013 teilte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf das Gutachten des MDK mit, an den Kosten der Liposuktion könne sie sich nicht beteiligen. Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 3. November 2013 Widerspruch, mit der sie unter Hinweis auf eine weitere ärztliche Stellungnahme des Dr. ON aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X" vom 30. Oktober 2013 geltend machte, das Gutachten des MDK sei unzutreffend. Es handele sich bei ihr nicht um eine Schönheitsoperation, sondern um eine medizinische Notwendigkeit, die sie von ihren täglichen Schmerzen befreien und ihre Mobilität wiederherstellen solle. Nach der Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK nach Aktenlage vom 20. November 2013 von Dr. BE, mit welcher der MDK an seiner ablehnenden Auffassung festhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2014 zurück.
Die Klägerin hat am 8. April 2014 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben. Im Verlauf des Klageverfahrens hat sie durch Dr. ON aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X" am 15. Mai 2014 an den Armen, am 29. Januar 2015 an den Unterschenkeln und am 9. April 2015 an den Oberschenkeln Liposuktionen vornehmen lassen. Für die drei Behandlungen sind jeweils Kosten in Höhe von 3.800 € abgerechnet worden.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. BR und bei der Praxis "Gefäßkrankheiten X" eingeholt und mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2016 die Klage abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) stehe der Klägerin nicht zu. Bei der Liposuktion handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die ambulant nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könne. Hierfür müsse zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben haben, wobei diese Empfehlung im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme vorliegen müsse. Das sei bei der Liposuktion bis heute nicht der Fall. Ein Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, in dem diese Voraussetzung nicht gelte, liege nicht vor.
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