Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Unterhaltssicherungsleistungen für Reservistendienst eines ehemaligen Zeit- bzw Berufssoldaten. Mindestsicherung und Reservistendienstleistungsprämie. Absetzung des Freibetrages bei Erwerbstätigkeit
Orientierungssatz
Sowohl bei der Reservistendienstleistungsprämie nach § 10 Abs 1 USG 2015 als auch der Mindestsicherung nach § 9 Abs 1 USG 2015 für den Reservistendienst eines ehemaligen Zeit- und damit Berufssoldaten während einer Wehrübung handelt es sich um Erwerbseinkommen im Sinne des § 11b Abs 2, Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 2 (Fortführung von LSG Darmstadt vom 23.8.2017 - L 6 AS 452/15 = FEVS 69, 428).
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Januar 2019 aufgehoben.
Der Bescheid des Beklagten vom 28. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2017 wird dahingehend geändert, dass dem Kläger für die Zeit vom 1. bis 31. Juli 2017 ein Leistungsanspruch i.H.v. 431,62 € zusteht und dass von ihm lediglich ein Überzahlungsbetrag i.H.v. 425,08 € zu erstatten ist.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der für den Monat Juli 2017 zu erbringenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bzw. die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung einschließlich der Höhe des Erstattungsbegehrens des Beklagten streitig.
Der 1975 geborene Kläger erhält von dem Beklagten laufende Grundsicherungsleistungen. Er war früher Zeitsoldat und ist Oberstleutnant der Reserve, wobei er regelmäßig an Reservistenübungen der Bundeswehr teilgenommen hat, so auch in der Zeit vom 26. bis 30. Juni 2017.
Mit Bewilligungsbescheid vom 9. Februar 2017 erbrachte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom März 2017 bis Februar 2018 (1. März bis 31. Oktober 2017 i.H.v. 856,70 € (davon die vollen Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 447,70 €) und 1. November 2017 bis 28. Februar 2018 i.H.v. 782,50 €). Mit späterem Änderungsbescheid vom 3. November 2017 setzte der Beklagte die monatlichen Leistungen im Zeitraum Dezember 2017 bis Februar 2018 mit 856,70 € und mit weiterem Änderungsbescheid vom 25. November 2017 für Januar und Februar 2018 mit 863,70 € fest.
Aufgrund der Heranziehung zur Reserveübung in der Zeit vom 26. bis 30. Juni 2017 erhielt der Kläger folgende Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (USG): Mindestleistung nach § 9 Abs. 1 USG i.H.v. 498,75 € und Reservistendienstleistungsprämie nach § 10 Abs. 1 USG i.H.v. 5 Tagessätzen zu je 26,52 €, insgesamt 631,35 € (Bewilligungsbescheide des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 26. Juli 2017). Die Auszahlung auf das Konto des Klägers erfolgte am 31. Juli 2017.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 10. August 2017 hob der Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 28. August 2017 die Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2017 teilweise auf und regelte zugleich die Erstattung eines Betrages von 601,35 €. Zur Begründung führte er aus, der Kläger sei aufgrund der erhaltenen Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz in geringerer Höhe hilfebedürftig gewesen, so dass die Leistungsbewilligung wegen der Erzielung von Einkommen in Anwendung von § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) bzw. i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aufzuheben sei. Bei der Festsetzung der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens setzte der Beklagte einen Betrag von 30,00 € ab.
Aus dem aktenkundigen weiteren (Änderungs-) Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 26. August 2017 ergibt sich, dass die dem Kläger aufgrund der Teilnahme an der Reserveübung zu gewährende Mindestleistung auf 521,70 € angehoben wurde mit einem Nachzahlungsbetrag von 22,95 €.
Gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. August 2017 erhob der Kläger Widerspruch am 8. September 2017 und machte unter Hinweis auf das von ihm erstrittene Senatsurteil vom 23. August 2017 (L 6 AS 452/15) geltend, Bezüge aufgrund seiner Reservistendienste seien als Erwerbseinkommen zu werten und mit den entsprechenden Freibeträgen anzurechnen. Im weiteren Verlauf führte der Kläger ergänzend aus, abzusetzen sei ein Freibetrag von 206,27 €. § 6 Abs. 3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-VO) komme nicht zur Anwendung.
Durch Widerspruchsbescheid vom 7. November 2017 stellte der Beklagte fest, dass dem Kläger für den Monat Juli 2017 ein Leistungsanspruch i.H.v. 331,87 € endgültig zustehe. Er reduzierte den Erstattungsbetrag auf 524,83 € und änderte die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Aufhe...