Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. stationäre Unterbringung. örtliche Zuständigkeit. letzter gewöhnlicher Aufenthalt vor Aufnahme in die Einrichtung. Aufenthalt in einer der Einrichtung angeschlossenen Herberge für 2 Tage
Orientierungssatz
Durch die Aufnahme in eine einer stationären Einrichtung angeschlossene Herberge für zwei Tage zur Überbrückung der Zeit bis zur Aufnahme in den stationären Bereich der Einrichtung wird kein gewöhnlicher Aufenthalt iS des § 98 Abs 2 S 1 SGB 12 begründet. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 98 Abs 2 S 1 SGB 12, in solchen kurzen, übergangsweisen Aufenthalten bereits die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts zu sehen.
Normenkette
SGB XII § 106 Abs. 1 S. 1, § 98 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 97 Abs. 3 Nr. 3, § 109; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 30. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens auch in der Berufungsinstanz.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 12.210,12 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht ein Erstattungsanspruch zwischen zwei Sozialhilfeträgern wegen der Kosten der stationären Betreuung in einer Facheinrichtung für wohnsitzlose Menschen in der Zeit vom 2. Juni 2010 bis 28. Februar 2011 in Höhe von 12.210,12 Euro.
Der 1955 geborene A. wurde am 2. Juni 2010 in das B-Haus in B-Stadt, eine Facheinrichtung für wohnsitzlose Menschen, stationär aufgenommen; am selben Tag erfolgte seine Anmeldung bei der Einwohnermeldebehörde der Stadt B-Stadt. Vorher hatte Herr A. von 2008 bis zum 14. April 2010 in Diez (Rheinland-Pfalz) bei seiner Freundin gewohnt und war dort mit Hauptwohnsitz gemeldet. Nach einem Streit mit seiner Freundin verließ er die Wohnung. Am 31. Mai 2010 (einem Montag) kam er nach B-Stadt und übernachtete zwei Tage in der Herberge des B-Hauses. Hierzu erklärte Herr A. in einer schriftlichen Erklärung vom 29. Oktober 2010, er habe auf einen freien Platz zur stationären Aufnahme gewartet. Er habe in B-Stadt auch unter dem Gesichtspunkt stationär aufgenommen werden wollen, weil hier die ihn behandelnden Ärzte, die er noch aus der Zeit in Diez gekannt habe, ihre Praxen hätten. In der Zeit vom 15. April bis 30. Mai 2010 habe er sich an verschiedenen Orten in Deutschland aufgehalten. Dies korrigierte Herr A. In einer späteren Erklärung vom 24. Februar 2011 dahingehend, dass er seit der Zeit vom 15. April bis 18. Mai 2010 zuerst nach England und von dort über Frankreich und Spanien nach Marokko gereist sei, um sodann nach Deutschland zurückzukehren, wo er sich am 18. Mai 2010 in Diez abgemeldet habe. Er sei dann nach Österreich gereist, um Arbeit zu finden, wozu es jedoch nicht gekommen sei.
Mit Bescheid vom 9. August 2010 übernahm der Landkreis Limburg-Weilburg als Delegationsträger des Landeswohlfahrtsverbands Hessen vorläufig die Kosten für die vollstationäre Unterbringung im B-Haus in der Zeit vom 2. Juni 2010 bis vorerst 1. Dezember 2010; diese Kostenzusage wurde später für den streitgegenständlichen Zeitraum verlängert.
Im Rahmen eines nachfolgenden Schriftverkehrs zwischen dem Landkreis Limburg-Weilburg, dem für Diez zuständigen Rhein-Lahn-Kreis und dem Beklagten blieb die Zuständigkeit für die Leistungen an Herrn A. streitig. Mit Schreiben an den Landkreis Limburg-Weilburg vom 4. Oktober 2012 und 6. Dezember 2012 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab, weil Herr A. bereits mit der Aufnahme in die Herberge des B-Hauses einen gewöhnlichen Aufenthalt in B-Stadt begründet habe, weshalb er nicht zuständig sei.
Der hierüber vom Landkreis Limburg-Weilburg informierte Kläger hat am 27. Juni 2011 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und vorgetragen, er habe als zuständiger Kostenträger für Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII für die Zeit vom 2. Juni 2010 bis 28. Februar 2011 für die Unterbringung des Herrn A. im B-Haus insgesamt 12.210,12 Euro aufgewandt. Hierbei handele es sich um den Betrag, den er dem Landkreis Limburg-Weilburg erstattet habe, welcher als sogenannter Delegationsnehmer für Maßnahmen nach § 67 SGB XII die Leistungen für ihn - den Kläger - als eigentlich zuständigen überörtlichen Träger erbringe. Für die vorläufig erbrachten Kosten sei der Beklagte erstattungspflichtig. Dieser sei der nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII für die Leistung zuständige Träger, da Herr A. in dem gesetzlich maßgeblichen Zwei-Monats-Zeitraum seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die stationäre Einrichtung in B-Stadt in Diez (Rheinland-Pfalz) gehabt habe. Nach dem Verlassen dieses Ortes habe Herr A. keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr gehabt, sondern sei umhergezogen. In den zwei Tagen, die er im der Herberge des B-Hauses genächtigt habe, sei kein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden. Die in § 109 SGB XII aufgestellte Fiktion, dass der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung nic...