Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankengeld. Feststellung von Arbeitsunfähigkeit. Sachaufklärungspflicht der Krankenkasse. gutachtliche Stellungnahme des MDK zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

Eine Krankenkasse verletzt die ihr obliegende Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen (§§ 20, 21 SGB 10) schuldhaft, wenn sie die gebotene zeitnahe Aufklärung des maßgeblichen medizinischen Sachverhalts unterlässt. Dazu gehört, genauere Informationen zum Krankheitsbild einzuholen und, soweit dies aus Sicht der Krankenkasse für eine Beurteilung nicht ausreicht, sodann auf der Grundlage dieser Auskünfte eine den Anforderungen des § 275 Abs 1 Nr 3 Buchst b SGB 5 entsprechendes, medizinisch qualifiziert begründetes Gutachten des MDK anzufordern und den MDK ggf zu einer persönlichen Untersuchung anzuhalten.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2003 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlichem Umfang für die Zeit vom

31. Mai 2003 bis zum 5. Mai 2004 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Krankengeld über den 30. Mai 2003 hinaus.

Die 1954 geborene Klägerin stammt aus Polen und hat dort den Beruf einer Bauingenieurin erlernt und ausgeübt. 1998 kam sie nach Deutschland und war hier vom 12. August 1999 bis 30. Juni 2002 bei der Firma MSM. GmbH beschäftigt, ausweislich der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers für 1.500,00 DM/ 766,94 € pro Monat. Laut den eigenen Angaben der Klägerin bestand ihre Arbeit darin, Messestände zu entwerfen und deren Aufbau zu überwachen, wobei die wöchentliche Arbeitszeit ca. 15 Stunden betragen habe. Nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses meldete sich die Klägerin am 12. August 2002 arbeitslos und bezog ab diesem Datum Arbeitslosengeld.

Ab dem 7. November 2002 wurde der Klägerin von der Fachärztin für Allgemeinmedizin K-C. laufende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wegen einer depressiven Verstimmung mit Somatisierung sowie Angstzuständen mit Panikattacken, worauf die Beklagte Krankengeld ab dem 19. Dezember 2002 bewilligte. Zur Klärung einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit zog die Beklagte im April 2003 einen weiteren Bericht der Hausärztin sowie einen Bericht der Fachärztin für Kinder-und Jugendmedizin - Psychotherapie - Dr. D. vom 30. April 2003 bei, die eine mittelgradige depressive Episode diagnostizierte. Der hierzu von der Beklagten befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) führte in Stellungnahmen nach Aktenlage vom 15. Mai 2002 und 22. Mai 2002 (Dr. H.) aus, Dr. D. bescheinige der Klägerin keine Arbeitsunfähigkeit, anscheinend liege ein minderschwerer Fall vor. Er empfahl eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 21. Mai 2003.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2003 teilte die Beklagte hierauf der Klägerin mit, ihre Arbeitsunfähigkeit ende zum 30. Mai 2003. Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Juni 2003 Widerspruch, unterstützt von Frau K-C., die in einem Schreiben vom 3. Juni 2003 der Klägerin fortdauernde Arbeitsunfähigkeit attestierte und eine weitere psychologische Behandlung für nötig hielt. Nachdem der MDK in einer aktenmäßigen Stellungnahme vom 17. Juni 2003 an seiner Beurteilung festhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2003 zurück: die Gutachten des MDK seien für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit verbindlich.

Die Klägerin hat am 17. September 2003 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und vorgetragen, sie sei aufgrund ihrer psychischen Erkrankung weiterhin arbeitsunfähig. In der Verwaltungsakte der Beklagten finden sich dazu weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Frau K-C. für die Zeit bis zum 18. September 2003. Darüber hinaus hat die Fachärztin für Prof. Dr. E. der Klägerin beginnend ab dem 26. August 2003 Arbeitsunfähigkeit bis zum 28. November 2005 bescheinigt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat der Klägerin mit Bescheid vom 1. Dezember 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2004 zuerkannt.

Mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin über den 30. Mai 2003 hinaus arbeitsunfähig gewesen sei, weil Anspruch auf Krankengeld nur Versicherte hätten. Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten habe jedoch, wie die Beklagte mitgeteilt habe, zum 30. Mai 2003 geendet und eine freiwillige Versicherung sei nicht zustande gekommen.

Gegen den am 26. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. Oktober 2006 Berufung eingelegt.

Die Klägerin führt aus, das Sozialgericht übersehe, dass sie bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit und einem dementsprechenden Anspruch ...

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