Leitsatz (amtlich)

1. Wird die Arbeitskraft eines Auszubildenden ganz oder überwiegend zur Erreichung des Ausbildungszweckes in Anspruch genommen, dann liegt eine Berufsausbildung i.S. der §§ 1262 Abs. 3 RVO, 39 Abs. 3 AVG, 1267 Satz 2 RVO, 44 Satz 2 AVG auch dann vor, wenn der Auszubildende für die Dauer der Berufsausbildung einen Unterhaltszuschuss in Höhe der bisher gewährten BAT-Vergütung erhält, der nicht an den üblichen Einkommenssteigerungen teilnimmt.

2. Ist die gewährte entgeltliche Zuwendung keine Gegenleistung für erbrachte Dienste, dann ist die Höhe des Unterhaltszuschusses genau so unbeachtlich wie die Form, in der er gewährt wird.

3. Aus den in §§ 1262 Abs. 3 RVO, 39 Abs. 3 AVG, 1267 Satz 2 RVO, 44 Satz 2 AVG aufgeführten Gründen kann nicht zwingend geschlossen werden, dass die Leistungen des Versicherungsträgers Unterhaltsersatzfunktion haben d.h., dass sie wegfallen – oder nicht zu gewähren sind – wenn der Unterhalt des Auszubildenden durch den Unterhaltszuschuss oder auf sonstige Weise sichergestellt ist.

 

Normenkette

RVO § 1262 Abs. 3; AVG § 39 Abs. 3; RVO § 1267 S. 2; AVG § 44 S. 2

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.07.1972)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die aussergerichtliche Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin erhält von der Beklagten Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 1. September 1968 (Bescheid 19. Februar 1969). Zu dieser Rente wurde ein Kinderzuschuss für ihren … 1950 geborenen Sohn R. gewährt, der sich seit dem 1. September 1968 als Verwaltungslehrling (Lehrlingsrolle Nr. 67/67) bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Frankfurt/Main in Berufsausbildung befand. Die Lehre war am 31. August 1970 beendet. Darum stellte die Beklagte mit dem Schreiben vom 19. Juni 1970 die Zahlung des Kinderzuschusses ein.

Am 23. Oktober 1970 beantragte die Klägerin die Wiedergewährung des Kinderzuschusses für ihren Sohn R., der am Vorbereitungsdienst zum gehobenen Verwaltungsdienst teilnehme. Sie bezog sich dabei auf eine Bescheinigung der AOK Frankfurt/Main vom 30. September 1970, nach der R. P. (künftig R.P.) ab 1. Oktober 1970 zum Vorbereitungsdienst zum gehobenen Verwaltungsdienst gemäss der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den Verwaltungsdienst bei den Trägern der Sozialversicherung zugelassen worden ist. Seit dem 1. September 1970 erhielt R.P. eine monatliche Vergütung nach Bundesangestelltentarif (BAT)/OKKen vom 25. August 1961 nach den Sätzen der Gruppe VII in Höhe von 1.071,– DM. Durch Beschluss des Vorstandes der AOK vom 16. April 1971 wurde er mit Wirkung ab 1. Mai 1971 in das dienstordnungsmässige Angestelltenverhältnis auf Widerruf als Inspektor-Anwärter übernommen; die zuletzt bezogene BAT-Vergütung von 1.071,– DM wurde ihm für die Dauer des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Verwaltungsdienst als Unterhaltszuschuss weiter gewährt. Diesen Unterhaltszuschuss bezog er in unveränderter Höhe bis zur Ablegung der Inspektorenprüfung und Übernahme in das Beamtenverhältnis im April 1973. Während des Vorbereitungsdienstes war R.P. im wesentlichen zwei Abteilungen der AOK zur Ausbildung zugewiesen. In der Abteilung Nr. 32.5, in der die von dem Regelfall abweichenden Rechtsfälle gesammelt und bearbeitet wurden, hatte er Bescheide vorzubereiten und zu entwerfen, die Versicherungspflicht oder -freiheit von Arbeitnehmern zu überprüfen, an Betriebsprüfungen teilzunehmen, statistische Erhebungen anzustellen, sie auszuwerten und zu registrieren. Auf diese Weise wurde er mit dem grössten Teil der der AOK zugewiesenen Verwaltungsaufgaben vertraut gemacht. Eine eigene Entscheidungsbefugnis stand ihm nicht zu; seine Entscheidungsvorschläge, die oftmals noch von mehreren Sachbearbeitern überprüft und ergänzt wurden, hatte er mit dem zuständigen Abteilungsleiter zu besprechen. In der Abteilung Nr. 32.5, in der mehrere Sachgebiete zentral zusammengefasst sind, wurde er mit allen dort vorkommenden Verwaltungsarbeiten vertraut gemacht und zur Bearbeitung anstehender Rechtsfragen herangezogen. Zum 1. Oktober 1971 wurde er in die Abteilung 41 für allgemeine Leistungen versetzt, die in Bar- und Sachleistungen untergliedert ist. Hier wurde er abwechselnd in beiden Abteilungen eingesetzt. Daneben arbeitete er in der Abteilung für Ersatzforderungen und Regressansprüche. Die einzelnen ihm zugewiesenen Aufgabenbereiche im Schalterdienst, als Prüfer, als stellvertretender Schaltervorsteher und Zuarbeiter waren ihm jeweils nur kurzfristig, höchstens für zwei Monate übertragen. Als stellvertretender Schaltervorsteher stand er unter der Überwachung des Abteilungsleiters. Eine Unterschriftsbefugnis stand ihm in dieser Eigenschaft nicht zu. Die mit R.P. zur gleichen Zeit in Ausbildung stehenden Inspektoren-Anwärter waren in gleicher Weise wie er eingesetzt. Alle 14 Tage hatten die Inspektoren-Anwärter an einem ganztägigen theoretisch...

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