Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Arbeitslosmeldung. Ausnahme bei außergewöhnlichem Hindernis rechtzeitiger Meldung. Verfügbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Arbeitslose durch außergewöhnliche Umstände kurzfristig gehindert, sich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden, so ist ausnahmsweise über den § 105 Abs. 2 AFG hinaus eine rückwirkende Arbeitslosmeldung wirksam, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Arbeitslose nicht alles Zumutbare getan hat, seine Arbeitslosmeldung rechtzeitig zu erstatten.
2. Unter diesen Voraussetzungen kann auch die kurzfristig verspätete Arbeitslosmeldung eines in das Ausland (z.B. an eine im Ausland gelegene Baustelle) entsandten Arbeitnehmers bei dem für seinen Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Arbeitsamt, der infolge Konkurs des Arbeitgebers arbeitslos, geworden ist und das Arbeitsamt objektiv nicht eher erreichen konnte, rückwirkend wirksam sein.
3. Zur Verfügbarkeit können in solchen Fällen die vom BSG entwickelten Grundsätze zur Verfügbarkeit bei Ortsabwesenheit des Arbeitslosen herangezogen werden (vgl. BSGE 44, 188, 190, 191 = BSG SozR 4100 § 103 Nr. 8 = Breith. 1978, S. 478 = DBlR 2181 AFG § 103).
Normenkette
AFG §§ 100, 103, 105
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.04.1981; Aktenzeichen S 15/Ar - 163/80) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. April 1981 wird zurückgewiesen.
II. Die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 10. Oktober 1946 geborene Kläger war vom 27. September 1977 bis 31. Mai 1979 bei der Firma … beschäftigt und als Betonpolier auf die Baustelle … in Algerien vorübergehend ents-zandt. Die maßgebliche tarifvertragliche Kündigungsfrist betrug 8 Wochen (Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers – Ag – vom 23. Mai 1979). Letzter Arbeitstag des Klägers war der 31. Mai 1979. Wegen Konkurses des Ag endete das Arbeitsverhältnis des Klägers am 31. Mai 1979. Am 26. Mai 1979 hatte der Ag durch sein Büro in Algier den auf seinen Baustellen in Algerien beschäftigten Arbeitnehmern, die für einen Anspruch auf Alg in Betracht kamen, so u.a. dem Kläger, mitgeteilt, um einen solchen Anspruch zu gewährleisten, sei mit der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Algier folgendes Vorgehen abgestimmt worden:
„Die Baustellen leiten schnellstens, spätestens jedoch bis zum 29.5. vormittags der BUM Algier für jeden Mitarbeiter:
- eine eidesstattliche Erklärung in doppelter Ausführung (laut Muster) sowie
- eine Arbeitsbescheinigung der Baustelle zur Weitergabe an die Botschaft zu.”
Der Kläger stellte die eidesstattliche Erklärung laut „Muster” am 29. Mai 1979 aus, in der u.a. ausgeführt ist, er habe vernommen, daß der Konkurs der … AG zum 1. Juni 1979 eröffnet werde. Daher beantrage er ab 1. Juni 1979 Zahlung von Alg; das für ihn zuständige Arbeitsamt sei entsprechend seinem Wohnort das Arbeitsamt …. Diese Unterlage und die Arbeitsbescheinigung der Baustelle gingen bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Algier am 30. Mai 1979 ein (Datum des Eingangsstempels der Botschaft).
Beim Arbeitsamt … meldete sich der Kläger am 7. Juni 1979 arbeitslos und beantragte Alg. Das Arbeitsamt bewilligte Alg ab 7. Juni 1979 (Bescheid vom 1. August 1979). Mit Bescheid vom 2. November 1979 wurde vom Arbeitsamt das Alg höher bemessen; die Bewilligung von Alg für Zeiten vor dem 6. Juni 1979 wurde abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er einen Anspruch auf Alg auch für die Zeiten vom 1. bis 6. Juni 1979 verfolgte, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. April 1980).
Mit seiner Klage trug der Kläger u.a. vor, eine Ausreise sämtlicher Mitarbeiter der Baustellen der Firma … in Algerien bis zum 1. Juni 1979 sei technisch völlig unmöglich gewesen. Hierzu habe im Hinblick auf die zwischen der Geschäftsleitung der Firma … in Algerien und der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Algier getroffene Absprache auch keine Veranlassung bestanden. Ausgehend von dieser Absprache habe vielmehr die Firma … bzw. deren Konkursverwalter die Arbeitnehmer veranlaßt, über den 1. Juni 1979 hinaus an der Baustelle in … (Algerien) zu verbleiben und weitere Weisungen abzuwarten. Er (der Kläger) sei am 6. Juni 1979 auf eigenen Wunsch und auf eigene Kosten in die Bundesrepublik geflogen. Seiner Auffassung nach sei auch die Arbeitslosmeldung mit dem Eingang des Antrags auf Alg bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Algier wirksam erfolgt. Daß die Arbeitslosmeldung dort möglich gewesen sei, ergebe sich auch aus einem Fragebogen, den „die Firma … in Konkurs” später zur Abwicklung der noch ausstehenden Lohn- und Gehaltsansprüche ausgegeben habe. Der Kläger legte einen entsprechenden Vordruck vor. Unter Ziffer 2 und 3 ist aufgeführt „habe ich mich in Algerien arbeitslos gemeldet am … bei …” bzw. „habe ich mich in Algerien nicht arbeit...