Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 28.09.1993; Aktenzeichen S-3/U-1531/89) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. September 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK).
Die am 24. November 1928 geborene Klägerin war ab dem 1. Januar 1975 bei dem Werra-Meißner-Kreis für Reinigungsarbeiten in tigt. Seit dem 7. Januar 1988 war sie dort arbeitsunfähig und erhält ab diesem Zeitpunkt von der LVA Hessen eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Unter dem 7. März 1988 erstattete die AOK des … – Kreises eine Anzeige bei dem Beklagten und teilte mit, bei der Klägerin bestehe eine Allergie gegen Formalin, P-Phenyldiamin sowie gegen Putzmittel und eine akute Laryngitis.
Die Klägerin gab unter dem 17. Mai 1988 gegenüber dem Beklagten an, 1986 seien erstmals rissige Hände sowie ein ständiges Brennen der Arme aufgetreten. Anfang 1987 habe sie unter geröteten Augen, trockener Nase und einem Brennen im Hals und den Atemwegen gelitten. Solche Beschwerden habe sie auch in der Zeit vom 22. September bis 24. Oktober 1987 gehabt sowie vom 17. November bis 12. Dezember 1987 und ab dem 7. Januar 1988. Während dieser Zeiten sei sie auch arbeitsunfähig gewesen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten der Hausarzt der Klägerin, Dr. Z. und der Hautarzt der Klägerin, Dr. J., eine ärztliche Anzeige über eine BK. Dr. Z. gab an, die Klägerin leide unter Luftnot, Erschöpfung, Heiserkeit sowie Hauterscheinungen an den Armen. Vermutlich bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung durch chemisch-irritative Stoffe als BK. Dr. J. teilte mit, die Klägerin leide unter einer chronischen Bronchitis, die auf die Einwirkung starker Putzmitteldämpfe zurückzuführen sei. Es bestehe eine Allergie gegen Formalin, P-Phenylendiamin und eine Allergie auf Hausstaub. Von der AOK des …-Kreises zog der Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin bei. Der … übersandte ein hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. B., Städtische Kliniken …, vom 28. Juni 1988 und ein nervenärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. und des Oberarztes Dr. H., Städtische Kliniken …, vom 20. Juni 1988.
Prof. Dr. B. teilte über die Untersuchung der Klägerin mit, diese habe angegeben, seit Anfang Januar 1988 wegen der Einwirkung von Reinigungsmitteln in der Behandlung des HNO-Arztes Dr. C. gestanden zu haben. Es habe zeitweise Atemnot bestanden und eine Heiserkeit mit belegter Stimme. Bei der Untersuchung hätten sich an den Schleimhäuten des HNO-Gebietes keine nennenswerten Veränderungen gefunden. Röntgenologisch bestünden keine Hinweise auf eine entzündliche Beteiligung der Nebenhöhlen. Eine bleibende Schleimhautschädigung liege nicht vor.
Prof. Dr. H. und Dr. H. gelangten zu dem Ergebnis, es bestünden bei der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine durch die verwendeten Reinigungsmittel bzw. Desinfektionsmittel verursachte chronische oder akute Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems.
Die Klägerin überreichte ein im Auftrag der Gewerkschaft ÖTV erstelltes hautärztliches Gutachten des Prof. Dr. S. Hautklinik der …-Universität …, vom 7. April 1989 zu den Akten. Diesem Gutachten ist zu entnehmen, daß Prof. Dr. S. die in der …-Schule beschäftigten Reinemachefrauen gutachtlich untersucht hatte. In diesem Gutachten werden die untersuchten Personen nicht namentlich benannt. Bei der Patientin „B” soll es sich um die Klägerin gehandelt haben. Über den bei dieser Patientin erhobenen Befund wird mitgeteilt, es hätten noch Reste eines kumulativtoxischen Kontäktekzems bestanden. Zusätzlich falle eine ausgeprägte Schleimhautbeteiligung auf, möglicherweise durch Inhalation von Berufsstoffen.
Des weiteren gelangte zu den Akten ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Umweltkontrolle e.V. in … vom 30. Oktober 1988 über eine Begutachtung von Putzmittelproben aus der …-Schule, die im Auftrag der ÖTV-Kreisverwaltung Bad … erfolgte. Über das Ergebnis der Untersuchung wird mitgeteilt, daß etliche Proben der Putzmittel Formaldehyd von 1,2 % bzw. 1,86 und 2,01 % enthielten. Eine Probe enthielt chlorierte Kohlenwasserstoffverbindungen.
Der Landesgewerbearzt veranlaßte eine hautärztliche Begutachtung der Klägerin durch die Dres. … und …, Frankfurt am Main. In dem Gutachten vom 24. Juli 1989 wird über den Untersuchungsbefund mitgeteilt, dermatologisch sei die Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt weitgehend frei von schwerwiegenden ekzematösen Hautveränderungen gewesen. Im Bereich beider Unterarme hätten sich eher angedeutete, dezente, ekzematöse Hautveränderungen mit angedeuteten dyshidrosiform-rhagadiformen Komponenten, insbesondere in den Fingerarealen gefunden. Beide Ellenbögen seien leicht squamös verändert, ohne deutliche Rötung. Die Ellenbeugen und Kniekehlen seien frei von ekzematösen Hautveränderungen. Im Bereich beider Unterarme sei eine deut...