Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmitteleigenschaft einer Dynamic GPS-Soft-Orthese trotz fehlender Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis. Kostenerstattungsanspruch bei Stundung der Honorarforderung des Leistungserbringers

 

Orientierungssatz

1. Eine Dynamic GPS-Soft-Orthese muss ihrer Gattung nach als ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich eingestuft werden, welches ebenfalls die Grundfunktionen leistet, welche herkömmlichen Orthesen eigen sind. Dass das Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 139 SGB 5 bislang keine Aufnahme gefunden hat, steht einem Versorgungsanspruch nicht entgegen.

2. Die Stundung der Honorarforderung eines Hilfsmittellieferanten lässt den Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB 5 nicht scheitern.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, die Klägerin von der Forderung aus der Rechnung der Firma O. GmbH vom 19. Juni 2003 in Höhe von 1.098,95 Euro freizustellen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch der 2. Instanz zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Versorgung mit Dynamic GPS-Soft-Orthesen.

Die 1995 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet infolge einer Frühgeburt mit postnataler Hirnblutung an einer rechtsbetonten spastischen Tetraparese mit einer spastischen Gangstörung. Ein selbständiges Gehen ist ohne Hilfsmittel, z.B. Rollator, nicht möglich, zumal eine Adduktorenkontraktur in den Oberschenkeln und eine starke Valgusstellung beider Beine besteht. Auch die Bewegungsfähigkeit der Arme ist stark eingeschränkt. Die Intelligenzentwicklung ist altersgleichen Kindern gegenüber rückläufig. Das Sprechen ist undeutlich, für einen ungeübten sind nur wenige Worte verständlich. Allerdings konnte durch intensive Ergotherapie und andere intensive ambulante Rehabilitationsbehandlungen, wie konduktive Förderung nach Petö eine gewisse Verbesserung der Gesamtsituation erreicht werden. Wegen der verbliebenen massiven Behinderungen erhält die Klägerin Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe III und ist insoweit als Härtefall eingestuft.

Unter Vorlage einer Verordnung der Fachärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin Dres. G. und W. vom 11. Februar 2003 sowie eines Kostenvoranschlages der Fa. O. GmbH - C. , C-Stadt vom 28. Februar 2003 in Höhe von insgesamt Euro 1.098,95 hatte die Klägerin am 3. März 2003 die Kostenübernahme für ein paar Dynamic GPS-Soft-Orthesen für Becken und beide Beine beantragt. Frau Dr. W. hatte auf Nachfrage der Beklagten in ihrem Attest vom 31. März 2003 ausgeführt, mittels der verordneten dynamischen GPS-Soft-Orthese solle das Sitzen verbessert und im Stand durch die erhöhte Stabilität Stehversuche und erste Schritte angebahnt werden. Die O. GmbH hatte auf Ersuchen der Beklagten eine Produktbeschreibung zu der Dynamic GPS-Soft-Orthese vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass Hersteller dieser Orthese die Fa. P. W. GmbH, C-Stadt ist, deren Geschäftsführer, der Physiotherapeut B. P., zugleich Geschäftsführer der O. GmbH ist. In der Produktbeschreibung wird dargelegt, die Dynamic GPS-Soft-Orthese, die aus elastischem Material gefertigt werde, liege wie eine zweite Haut dem jeweiligen Körperteil eng an. Durch den so ausgelösten Druck auf die unterschiedlichsten Rezeptoren an der Haut, im Unterhautgewebe und in der Muskulatur werde die Wahrnehmung (Proprioception) z.B. des Armes, des Beines oder des Rumpfes verbessert. Hierdurch werde die Stellung der Extremität im Raum durch die entsprechenden Rückkopplungsmechanismen zwischen Gehirn und Rezeptoren bewusster gemacht. Damit könne die Bewegungsqualität günstig beeinflusst werden, auch durch Einflussnahme auf die Muskelspannung (Tonus) in verschiedenen Ausgangsstellungen mittels Druck und Zug. Entsprechend angebrachte Verstärkungspelotten und aufgebrachte dynamische Züge erhöhten die Stabilität z.B. im Becken und könnten die Außendrehung der Hüfte unterstützen. Auch das Stehen werde mit dieser Spezialorthese verbessert.

Die Beklagte zog noch weitere medizinische Unterlagen bei (Bericht bzw. Attest der Frau Dr. W. vom 23./24. April 2003, telefonische Auskunft der Physiotherapeutin Frau HA. sowie Arztbriefe des Instituts für Kinderneurologie K.-Stadt/T., ärztliche geleitet von dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie physikalische Therapie und rehabilitative Medizin Dr. R., vom 10. Februar und 07. April 2003) und holte ein sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage beim MDK ein, das der Facharzt für Orthopädie Dr. EV. unter dem Datum vom 18. April 2003 erstellte. Er gelangte zu der Beurteilung, bei der dynamischen GPS-Soft-Orthese handele es sich um ein neues Hilfsmittel für das der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit nicht erbracht sei. Auch sei für ein solches Hilfsmittel, das nach dem Prinzip einer propriozeptiven Reg...

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