Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Einkommensanrechnung. fiktiver Unterhaltsanspruch
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 10 Nr 3 AlhiV ist nicht von der Verordnungsermächtigung des § 137 Abs 3 AFG gedeckt, soweit sie sich auf die fehlende Bereitschaft zur Ausübung unterwertiger, dh nach dem AFG und der hierzu ergangenen ZumutbarkeitsAnO 1982 nicht zumutbare Tätigkeiten und die fehlenden Bemühungen zum Erhalt einer solchen Tätigkeit bezieht bzw beziehen soll (vgl LSG Darmstadt vom 6.12.1989 - L-6/Ar-702/89).
2. Eine Herabstufung eines Arbeitslosen auf die nächstniedrigere Qualifikationsstufe des § 12 ZumutbarkeitsAnO 1982 ist nicht möglich, wenn zuvor kein Beratungsgespräch hinsichtlich der Herabstufung stattgefunden hat.
3. Zur verfassungskonformen Auslegung des § 137 Abs 1a AFG.
Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 19.04.1989; Aktenzeichen S-5/Ar-640/88) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. April 1989 wird zurückgewiesen und der Bescheid vom 10. Oktober 1989 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) der Klägerin ab dem 30. Dezember 1988, konkret über die Berücksichtigung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegenüber ihrer Mutter.
Die 1939 geborene und seit 1960 verheiratete Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie hat von 1973 bis 1979 ein Studium der Pädagogik absolviert und mit der ersten Staatsprüfung für das Lehramt abgeschlossen. Vom 1. Mai 1980 bis zum 28. Februar 1981 und nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit vom 1. November 1981 bis 30. September 1983 war die Klägerin als Lehramtsreferendarin tätig, hat das Referendariat jedoch nicht abgeschlossen und die zweite Staatsprüfung für den Schuldienst daher nicht abgelegt.
Seit dem 26. November 1983 bezieht die Klägerin Alhi. Ihr am … 1928 geborener Ehemann hat das erste juristische Staatsexamen abgelegt und ist ebenfalls ohne Einkommen. Er besitzt zwar die behördliche Erlaubnis, ein Inkassobüro zu betreiben, nach Angaben der Klägerin kann er diese Tätigkeit jedoch wegen fehlender finanzieller Eigenmittel nicht ausüben. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1987 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alhi unter Anrechnung von DM 92,31 wöchentlich aufgrund tatsächlicher monatlicher Unterhaltszahlungen des Vaters der Klägerin in Höhe von DM 400,00. Nachdem der Vater der Klägerin am 11. Mai 1988 verstorben war und die Klägerin nach eigenen Angaben von ihrer Mutter ab August 1988 keine Unterhaltszahlungen mehr erhielt, bewilligte ihr die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 16. August 1988 Alhi ab dem 1. August 1988 unter Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs gegen ihre Mutter in Höhe von DM 27,17 aufgrund deren geschätzter Witwenpension. Hiergegen erhob die Klägerin am 16. September 1988 Widerspruch mit der Begründung, daß ihr ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrer Mutter nicht zustehe und die vorgenommene Anrechnung daher rechtswidrig sei. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1988, niedergelegt am 11. Oktober 1988, zurück. Mit Änderungsbescheid vom 28. Oktober 1988 bewilligte die Beklagte der Klägerin aufgrund der zwischenzeitlich vorgelegten Bescheinigung über die Höhe des Witwengeldes der Mutter der Klägerin Alhi ab dem 18. Oktober 1988 unter Anrechnung eines Unterhaltsbetrages in Höhe von DM 40,41.
Gegen die Bescheide vom 16. August 1988, vom 5. Oktober 1988 und vom 28. Oktober 1988 hat die Klägerin am 8. November 1988 Klage vor dem Sozialgericht Marburg erhoben.
Während des Klageverfahrens bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 21. November 1988 Alhi in bisheriger Höhe für die Zeit ab dem 26. November 1988. Hiergegen hat die Klägerin am 16. Dezember 1988 Widerspruch erhoben.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. April 1989 räumte die Klägerin ein, von ihrer Mutter in den Monaten August bis November 1988 Unterhaltszahlungen erhalten zu haben und nahm die Klage hinsichtlich der im Streit befindlichen Ansprüche für die Zeit vor dem 1. Dezember 1988 zurück. Für den Zeitraum nach diesem Zeitpunkt vertritt sie die Auffassung, daß ihr Alhi in voller Höhe zustehe. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen zum Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder, die sich nicht in Ausbildung befinden, gegenüber ihren Eltern komme eine Unterhaltsverpflichtung ihrer Mutter ihr gegenüber nicht in Betracht. Sie selbst sei vielmehr vorrangig verpflichtet, alle verfügbaren Kräfte einzusetzen und Opfer bis zur zumutbaren Grenze auf sich zu nehmen, um ihre Arbeitskraft zu verwerten. Sie legt hierzu u.a. die Kopie eines Beschlusses des Amtsgerichts Friedberg vom 3. Januar 1989 … vor, durch den ihr die für eine Unterhaltsklage gegen ihre Mutter nachgesuchte Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert wurde.
Mit Urteil vom 19. April 1989 hat das Sozialgericht Marbu...