Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillig versicherter Arbeitnehmer. Krankengeldbezug bei fortlaufend bestehender und ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit (AU). Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Entfallen des Krankengeldanspruchs aus dem vorangegangenen Beschäftigungsverhältnis wegen fehlender Folge-AU-Bescheinigung. Umwandlung des freiwilligen Versicherungsverhältnisses in ein solches ohne Anspruch auf Krankengeld. nachträgliche ärztliche AU-Feststellung. kein Ausnahmefall, wenn behandlungsbereite Ärzte zur Jahreswende nur schwer erreichbar sind

 

Orientierungssatz

1. Entfällt bei einem freiwillig versicherten Arbeitnehmer, der bei fortlaufend bestehender und ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit (AU) Krankengeld als Ersatz für das ausfallende Arbeitsentgelt aus einem zwischenzeitlich beendeten Beschäftigungsverhältnis bezieht, der Krankengeldanspruch wegen des Fehlens einer Folge-AU-Bescheinigung, so wandelt sich das freiwillige Versicherungsverhältnis des Versicherten in ein solches ohne Krankengeldanspruch um, weil bei Eintritt einer neuen AU kein ausfallendes Einkommen mehr zu ersetzen ist.

2. Es steht einer nachträglichen ärztlichen AU-Feststellung nicht entgegen, wenn die ärztliche Feststellung oder die rechtzeitige Meldung der AU nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind. Entscheidend dafür ist, dass der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren (vgl zuletzt BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R = BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8). Ein solcher Ausnahmefall ist jedoch nicht gegeben, wenn der Versicherte sich darauf beruft, dass wegen der Jahreswende ein behandlungsbereiter Arzt nur schwer zu erreichen war. Denn auch in der Zeit zwischen den Jahren stehen behandlungsbereite Ärzte - sei es im Rahmen des ärztlichen Notdienstes oder in den Krankenhausambulanzen - zur Verfügung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.06.2021; Aktenzeichen B 3 KR 2/19 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 18. Mai 2015.

Der 1977 geborene Kläger war seit 1. April 2010 als Arzt und Oberarzt in der Klinik C. des C-Kreises GmbH tätig. Seit 1. Januar 2012 war er bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Ab dem 19. Mai 2014 war er arbeitsunfähig erkrankt, wobei die Arbeitsunfähigkeit (AU) zunächst auf einer Erkältungskrankheit, im weiteren Verlauf auf den Folgen einer Fersenbeinfraktur mit Komplikationen (posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes links) beruhte. Bis 29. Juni 2014 erhielt der Kläger Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber, ab dem 30. Juni 2014 Krankengeld von der Beklagten. Im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 28. Juli bis 1. August 2014 erfolgte eine Arthrodese des unteren Sprunggelenks. Nachfolgend war der Kläger laufend weiter krankgeschrieben. In einem Krankengeldzahlschein vom 17. November 2014 bescheinigte der Facharzt für Innere Medizin Dr. D. dem Kläger weitere AU voraussichtlich bis 31. Dezember 2014; hierbei vermerkte er neben den bereits vorher gestellten Diagnosen Fersenbeinfraktur links, Fußwurzelarthrose rechts zusätzlich eine tiefe Beinvenenthrombose links ab 13. November 2014.

Zum 30. November 2014 endete das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei den Kliniken des C-Kreises aufgrund Eigenkündigung des Klägers.

Ab dem 6. Januar 2015 legte der Kläger der Beklagten weitere Krankengeldzahlscheine der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. E./Dr. F. vor, in denen wegen der bekannten Diagnosen weiterhin bestehende AU bescheinigt wurde. Mit Bescheid vom 8. Januar 2015 lehnte die Beklagte die weitere Zahlung von Krankengeld ab, da es an einer lückenlosen Feststellung der AU fehle. Zwischen dem 31. Dezember 2014 und dem 6. Januar 2015 sei AU nicht nachgewiesen. Ein neuer Krankengeldanspruch ab dem Folgetag der attestierten AU, dem 7. Januar 2015, scheide aus, da eine Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Hiergegen erhob der Kläger am 29. Januar 2015 Widerspruch, da ein fortdauernder Krankheitsverlauf vorliege; der Arztbesuch zur Jahreswende habe sich ohne sein Verschulden um ein paar Tage verzögert. Im Rahmen weiterer Korrespondenz mit der Beklagten legte er ein ärztliches Attest von Frau Dr. E. vom 10. Februar 2015 vor, wonach es aus organisatorischen und zeitlichen Gründen nur möglich gewesen sei, dem Kläger einen Termin am 6. Januar 2015 zu geben. Ergänzend trug der Kläger vor, auch die Praxis von Dr. D. sei von Heiligabend bis 6. Januar 2015 geschlossen gewesen. Zudem sei er wegen thrombotischer Komplikationen seines operierten Fußgelenkes ans Bett...

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