Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 08.12.1994; Aktenzeichen S-12/Ar-1305/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von originärer Arbeitslosenhilfe über den 11. Juni 1993 hinaus.
Der Kläger, geboren am 27. März 1959, ist nigerianischer Staatsangehöriger und beantragte in der Bundesrepublik Deutschland die Gewährung von Asyl. Er war vom
11. März 1991 bis zum 19. März 1991 als Hilfsarbeiter
15. Mai 1991 bis zum 10. Juni 1991 als Gärtnerhilfsarbeiter
29. Juli 1991 bis zum 10. Juni 1992 als Oberflächenbearbeiter
tätig.
Für diese Tätigkeiten besaß der Kläger jeweils eine Arbeitserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27. August 1992 Arbeitslosenhilfe vom 11. Juni 1992 bis zum 11. Juni 1993. Der Kläger stellte am 6. April 1993 einen Antrag auf Weitergewährung der Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte teilte ihm mit Bescheid vom 1. Juli 1993 mit, seinem Antrag könne nicht entsprochen werden. Personen, die zur Aufnahme einer Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO benötigten, besäßen nur dann einen Anspruch auf Leistungen, wenn der deutsche Arbeitsmarkt für sie offen sei. Im Falle des Klägers habe sich gezeigt, dass der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Trotz ihrer Vermittlungsbemühungen innerhalb eines Jahres habe sich für den Kläger keine Dauerbeschäftigung finden lassen. Auch die Möglichkeiten der überbezirklichen Vermittlung seien ausgeschöpft worden. Berufliche Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen seien nicht in Betracht gekommen. Die vorhersehbare Entwicklung des Arbeitsmarktes ließe eine Verbesserung der Vermittlungsmöglichkeiten des Klägers nicht erkennen.
Dagegen erhob der Kläger am 28. Juli 1993 Widerspruch und führte dazu aus, es treffe nicht zu, dass er innerhalb eines Jahres nicht habe vermittelt werden können. Er habe eine Arbeitsstelle gefunden, die Beklagte habe jedoch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis abgelehnt. Auch könne der Umstand der einjährigen erfolglosen Vermittlungsbemühungen nicht als Indiz für die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angesehen werden. Andernfalls müsste auch eine einjährige Arbeitsunfähigkeit eines deutschen Sozialversicherten auf eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes hinweisen. Auch für sie sei eine einjährige Arbeitslosigkeit nicht ungewöhnlich.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 1993 den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, da er weder im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis sei noch einen Anspruch auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO habe. Der deutsche Arbeitsmarkt sei verschlossen, da mindestens ein Jahr nach dem Tag der Arbeitslosmeldung der Kläger nicht vermittelt werden konnte, weil deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer der Stellenvermittlung zur Verfügung gestanden hätten. Eine überbezirkliche Vermittlung sei nicht in Betracht gekommen, da bekannt sei, dass in anderen Bezirken ebenfalls keine Vermittlungsmöglichkeit bestanden habe. Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und Umschulung seien nicht in Betracht gekommen, da der Kläger hierfür keine ausreichenden Sprachkenntnisse habe. Schließlich sei erkennbar, dass sich nach der vorhersehbaren Entwicklung des Arbeitsmarktes auch künftig keine Vermittlungsmöglichkeiten ergeben würden.
Dagegen hat der Kläger am 2. November 1993 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, welche Vermittlungsbemühungen die Beklagte unternommen habe. Tatsächlich bestehe auf dem Arbeitsmarkt ein Bedarf an ausländischen Arbeitskräften, insbesondere nach Asylbewerbern, da deutsche Arbeitnehmer für deren Tätigkeit oftmals nicht zu gewinnen seien.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, die Vermittlungsbemühungen des zuständigen Arbeitsvermittlers seien wegen der Arbeitsmarktlage und des Vorrangs deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer erfolglos geblieben.
Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 8. Dezember 1994 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe über den 11. Juni 1993 hinaus in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger besitze einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auch über den 11. Juni 1993 hinaus, da er der Arbeitsvermittlung über diesen Zeitraum weiterhin zur Verfügung stehe und er die übrigen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehe ein Arbeitsloser der Arbeitsvermittlung gemäß § 134 Abs. 4 i.V.m. § 103 Abs. 1 AFG nicht zur Verfügung, wenn er für die Ausübung einer Beschäftigung einer besondere...