Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Gründungszuschuss nach Bezug von Transferkurzarbeitergeld

 

Orientierungssatz

1. Nach § 57 Abs. 1 SGB a. F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Voraussetzung hierzu ist, dass der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB 3 hat.

2. Nach Insolvenzgeld bezogenes Transferkurzarbeitergeld nach § 216b SGB 3 a. F. ist geeignet, den Anspruch auf Gründungszuschuss auszulösen. Dabei handelt es sich um eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB 3. Die Leistung setzt gemäß § 216b Abs. 2 SGB 3 a. F. einen dauerhaften Arbeitsausfall voraus, welcher vorliegt, wenn infolge einer Betriebsänderung i. S. des § 216 Abs. 1 S. 3 SGB 3 a. F. die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen. Die insolvenzbedingte Schließung eines Betriebs beinhaltet auch eine solche Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG.

 

Normenkette

SGB III § 57 Abs. 1, § 216b Abs. 1 S. 3, Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.10.2014; Aktenzeichen B 11 AL 52/14 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. Juli 2010 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Juli 2007 und des Widerspruchbescheids vom 16. Oktober 2007 verurteilt, dem Kläger Gründungszuschuss in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses im Streit.

Der 1967 geborene Kläger, diplomierter Bauingenieur, meldete sich am 15. Mai 2007 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Vom 1. Juli 1995 bis 31. April 2007 war er bei der Firma C. A. GmbH & Co. KG Bauunternehmen beschäftigt. Komplementärin der C. A. GmbH & Co. KG (Amtsgericht Fritzlar xxx1) war die A. GmbH (Amtsgericht Korbach, xxx2), deren Geschäftsführer seit 2001 der Kläger war. Weiterer Geschäftsführer war Herr Dipl. Ing. D. A., der Vater des Klägers. Beide Geschäftsführer waren unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB alleinvertretungsberechtigt. Auf den Anstellungsvertrag vom 21. Juni 2001 (Blatt 33 ff. der Verwaltungsakte/Alg) und die Feststellungsbögen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Blatt 25 ff. daselbst) sowie zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Geschäftsführers einer GmbH (Blatt 28 ff.) wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 6. März 2007 hatte das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Fritzlar die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Firma C. A. GmbH & Co. KG angeordnet und RA E. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Auf den Beschluss wird Bezug genommen (Blatt 162 GA). Zum 1. Mai 2007 wurde sodann über das Vermögen der C. A. GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts Fritzlar zum Aktenzeichen xxx3 eröffnet. Bereits zuvor, mit Gesellschaftsvertrag vom 26. März 2007, hatten die Firma F. GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer, und die Ehefrau des Klägers G. A. als einzige Kommanditistin die Firma F. GmbH und Co. KG mit Sitz in A-Stadt gegründet und durch Beschluss vom 23. April 2007 geändert; auf die Beurkundung durch den Notar H. vom 23. April 2007 (xxx4 = Anlage zum Verfahren L 6 AL 149/10) sowie die Eintragungen in das Handelsregister A (xxx5) und B (xxx6) des Amtsgerichts Fritzlar wird Bezug genommen. Laut dem Bericht des Insolvenzverwalters E. vom 1. Juli 2007 an die Gläubigerversammlung wurde diese Firma unter Leitung des Klägers als Auffanggesellschaft gegründet, um den bisherigen Geschäftsbereich der Schuldnerin in kleinerem Umfang weiterzuführen. Im Bericht heißt es weiter: “Ich habe diese Firma nach Insolvenzeröffnung beauftragt, die vorhandenen Baustellen abzuräumen und die Maschinen und Geräte abzubauen und auf dem Betriebsgrundstück zusammenzufahren. Sie hat inzwischen einige Aufträge aquirieren und 8 Arbeitnehmer der Schuldnerin einstellen können. Ich kann deshalb feststellen, dass zumindest Teilbereiche der Schuldnerin gerettet werden konnten.„ Im Bericht ist ferner die Rede davon, dass die in Arbeit befindlichen Aufträge der Schuldnerin, ein Neubau im Bereich des Altenpflegezentrums J. e.V. in J-Stadt sowie ein Rohbau in BK-Stadt, K-Straße, in seinem Auftrag fertig gestellt worden seien und für die Masse so ein Betrag in einer Größenordnung von ca. 170.000 € habe realisiert werden können.

Um den Mitarbeitern der Schuldnerin eine Perspektive zu geben, hatte der Insolvenzverwalter mit der Firma L. GmbH/ R-Stadt deren Übernahme in eine Transfergesellschaft vereinbart. Der Kläger schloss mit der L. Beschäftigung-und Qualifizierungs-GmbH einen für die Ze...

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