Leitsatz (amtlich)

Nach der Zweckbestimmung der Maßnahmen nach RVO § 1244a/ AVG § 212 können diese vom Rentenversicherungsträger erst von dem Zeitpunkt an gewährt werden, an dem eine aktive behandlungsbedürftige Tuberkulose tatsächlich festgestellt worden ist.

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 12.06.1968)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. Juni 1968 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1921 geborene bei der Klägerin gegen Krankheit versichert gewesene Maler W. K. (Versicherter) erkrankte im März 1967 an einer massiven Hämaturie. Am 13. März 1967 wurde bei ihm eine linksseitige Nierentuberkulose festgestellt, nachdem der Tierversuch vom 13. März 1967 ein positives Ergebnis hatte. Der Versicherte ist nach einer Operation am 12. Juli 1967 verstorben.

Seine Ehefrau beantragte bei der Beklagten am 31. März 1967 die Übernahme von Heilmaßnahmen wegen Tuberkulose, die die Beklagte ab 13. März 1967 übernahm.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Übernahme der Kosten der stationären Behandlung vom 7. bis 12. März 1967 in Höhe von DM 190,20 sowie des Hausgeldes vom 7. März 1967 bis 12. März 1967 mit je DM 20,02 = DM 80,08, insgesamt DM 270,28 von der Beklagten.

Das Sozialgericht Kassel hat mit Urteil vom 12. Juni 1968 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen nimmt es auf § 1244 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) Bezug, durch den die Übernahme der Tbc.-Behandlung zur Pflichtleistung der Beklagten geworden sei. Die Bestimmung enthalte keinen sicheren Anhalt darüber, ab welchem Zeitpunkt die Kosten zu übernehmen seien. In Abs. 2 dieser Bestimmung sei zwar für die Feststellung der Leistungsvoraussetzungen von dem Tage der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit ausgegangen worden; das schließe aber nicht aus, dass schon von einem früheren Zeitpunkt ab die Kosten übernommen werden müssten. Auch Abs. 5 sei ohne Belang, da über den Beginn der Leistung nichts gesagt werde. Lediglich Abs. 6 begrenze das Übergangsgeld mit der Dauer der stationären Heilbehandlung, was nur dahin verstanden werden könne, dass nur sie Heilbehandlung wegen Tuberkulose gemeint sei. Entscheidend für die Begrenzung der Leistung sei jedoch der Charakter der in § 1244 a RVO vorgesehenen Leistung. Es handele sich hierbei um “Maßnahmen”, die in natura von der Beklagten zu gewähren seinen, außerdem um solche, die das Ziel der Behandlung einer ganz bestimmten Krankheit hätten. Diese Maßnahmen könnten naturgemäß erst von dem Zeitpunkt an gewährt werden, in dem diese Krankheit, die Tuberkulose, festgestellt worden sei. Das Urteil wurde der Klägerin am 17. Juli 1968 mit Empfangsbekenntnis zugestellt.

Ihre Berufung ist am 18. Juli 1968 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen. Sie führt aus, dass die Ausführungen des Sozialgerichts hinsichtlich der Frage, ab wann die Kosten der stationären Tbc-Behandlung übernommen werden müssten, rechtlich nicht begründet seien. U.A. hätten Versicherte, die an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose erkrankt seien, Anspruch auf Behandlung nach Maßgabe des § 1244 a RVO. Gemäß § 27 Abs. der Richtlinie der Landesversicherungsanstalt Hessen über die Gewährung von Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (Stand 1.1.1966) umfasse die Heilbehandlung wegen Krankheiten tuberkulöser Art stationäre Krankenhaus- und Heilstättenbehandlung.

Gemäß § 27 Abs. 2 dieser Richtlinien werde darüber hinaus die stationäre Beobachtung zur Feststellung der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder zur Klärung diagnostischer oder therapeutischer Fragen durch die Beklagte übernommen. Bisher hätten sich bei der Praktizierung dieser Vorschriften keinerlei Schwierigkeiten erheben. Die Beklagte habe in der Vergangenheit in jedem Falle bei Krankheiten tuberkulöser Art die Kosten der stationären Behandlung bzw. Beobachtung ab Aufnahmetag übernommen, auch dann, wenn erst im Laufe der stationären Unterbringung Tuberkulose festgestellt worden sei. Voraussetzung für den Anspruch auf diese Leistungen sei, dass eine Erkrankung an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose vorliege. Eine nichtaktive Tuberkulose erfülle die Voraussetzungen des § 1244 a RVO nicht. Im Falle des Versicherten sei die Aufnahme in das Krankenhaus Bad W. am 7. März 1967 wegen einer zum Zeitpunkt der stationären Einweisung noch nicht erkannten Tuberkulose erfolgt. Da der Krankheitsprozess noch im Gange gewesen sei, habe objektiv an diesem Zeitpunkt eine behandlungsbedürftige aktive Tuberkulose vorgelegen, für die der Rentenversicherungsträger gemäß § 1244 a RVO die Kosten übernehmen müsse. Weder aus gesetzlichen Bestimmungen noch aus den Richtlinien der Landesversicherungsanstalt lasse sich eine rechtliche Begründung dafür herleiten, dass der Rentenversicherungsträger erst ab dem Zeitpunkt des Erkennens der aktiven Lungentuberkulose zu einer Kostenübernahme verpflichtet sei. Ausschlaggebend für die Beurteilung dieser Frage sei a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge