Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Fünfpersonenhaushalt im Werra-Meißner-Kreis in Hessen. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. fehlerhafte Vergleichsraumbildung über den gesamten Landkreis
Leitsatz (amtlich)
1. Der Werra-Meißner-Kreis verfügt (jedenfalls) im Monat Juli 2014 nicht über ein schlüssiges Konzept zur Feststellung der Angemessenheitsgrenzen gem § 22 Abs 1 SGB II.
2. Der Vergleichsraum ist aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist.
3. Ein gesamter Landkreis kann nur dann einen einheitlichen Vergleichsraum darstellen, wenn innerhalb des Landkreises ein homogener Lebens- und Wohnbereich besteht.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 19. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Bedarfe für Unterkunft als Leistung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015.
Die 1982, 1990, 2008, 2009 und 2013 geborenen Kläger stehen seit 1. Dezember 2013 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie bewohnen seitdem eine ca. 140 m² große 7-Zimmer-Wohnung in C-Straße in C-Stadt. Die monatliche Grundmiete beträgt 500,00 EUR zuzüglich kalter Betriebskosten in Höhe von 74,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 131,00 EUR.
Nachdem der Beklagte zunächst die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft der Kläger berücksichtigte, fügte er seinem Bescheid vom 8. Mai 2014 eine Aufforderungen bei die Kosten der Unterkunft zu senken. Angemessen seien Bedarfe für Unterkunft bis zu einer Bruttokaltmiete in Höhe von 450,00 EUR. Der Beklagte teilte mit, ab dem 1. Dezember 2014 nur noch diese als angemessen angesehenen Bedarfe berücksichtigen zu wollen.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 17. November 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 19. November 2014 SGB II – Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 unter Berücksichtigung einer monatlichen Bruttokaltmiete in Höhe von 450,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 133,00 EUR. Unter dem 1. Dezember 2014 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, der die Bedarfe der Unterkunft und Heizung nicht betraf. Am 17. Dezember 2014 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. November 2014 ein und begründeten ihn damit, dass ihnen ein Umzug nicht zumutbar sei. Mit Bescheid vom 28. Januar 2015 änderte der Beklagte den Bescheid vom 19. November 2014 bezüglich der Heizkosten ab und berücksichtigte für den Bewilligungszeitraum den Heizbedarf in der tatsächlichen Höhe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Die Wohnung der Kläger sei unangemessen groß und die Wohnkosten zu hoch. Hierauf seien sie in der Kostensenkungsaufforderung vom 8. Mai 2014 hingewiesen worden. Wohnraum stünde in ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass eine Kostensenkung durch Umzug möglich sei.
Dagegen haben die Kläger am 27. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Urteil vom 19. Februar 2018 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 19. November 2014, 1. Dezember 2014 und 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2015 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 Kosten der Unterkunft unter Zugrundelegung ihrer Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zu gewähren, und die Berufung zugelassen.
Streitig seien ausschließlich die Kosten der Unterkunft. Heizkosten würden in tatsächlicher Höhe gewährt. Die Unterkunftskosten seien den Klägern in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Diese seien angemessen. Zwar sei die Wohnung der Kläger unangemessen groß. Als angemessene Wohnungsgröße sei für einen 5-Personen-Haushalt von 96 m² auszugehen. Diese Überschreitung sei aber unbeachtlich, weil der Mietzins insgesamt nicht unangemessen sei.
Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Angemessenheitsobergrenze könne nicht herangezogen werden. Das von dem Beklagten verwendete Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis, Endbericht vom März 2014 der Firma G., Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH (lm Folgenden: Gutachten) entspreche nicht den durch das Bundessozialgericht aufgestellten Vorgaben für die Festlegung einer Mietobergrenze.
Prägend für den Vergleichsraum sei, dass er dem Hilfebedürftigen ermöglichen müsse, bei einem Umzug sein soziales Umfeld zu erhalten. Ein Umzug, der mit der Aufgabe des sozialen Umfelds verbunden sei, könne vom Hilfebedürftigen regelmäßig nicht verlangt werden. Demnach sei ein Vergleichsraum zu bi...