Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt im Werra-Meißner-Kreis in Hessen. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts im Jahre 2014. fehlerhafte Vergleichsraumbildung über den gesamten Landkreis
Leitsatz (amtlich)
1. Der Werra-Meißner-Kreis verfügt (jedenfalls) im Monat Juli 2014 nicht über ein schlüssiges Konzept zur Feststellung der Angemessenheitsgrenzen gemäß § 22 Abs 1 SGB II.
2. Der Vergleichsraum ist aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist.
3. Ein gesamter Landkreis kann nur dann einen einheitlichen Vergleichsraum darstellen, wenn innerhalb des Landkreises ein homogener Lebens- und Wohnbereich besteht.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. März 2016 aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2014 sowie der Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2014 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt abzüglich bereits erbrachter Leistungen für den Monat Juli 2014 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Zugrundelegung einer Bruttokaltmiete in Höhe von 292,00 € als angemessenen Bedarf für die Unterkunft zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Bedarfe für Unterkunft als Leistung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Monat Juli 2014.
Die 1963 geborene Klägerin steht seit 1. Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten, bis 31. März 2010 zusammen mit ihrer 1988 geborenen Tochter. Mit ihr bewohnte sie zunächst eine 4-Zimmer-Wohnung in der C-Straße in A Stadt mit einer Wohnfläche von 90 m². Mit dem Auszug der Tochter übersandte der Beklagte der Klägerin unter dem 15. März 2010 (Bl. 141 der Gerichtsakte) einen Änderungsbescheid, in dessen Anlage er darauf hinwies, dass ihre Kosten der Unterkunft zu hoch seien. Angemessen seien für Alleinstehende Kosten in Höhe von monatlich 237,50 € als Nettokaltmiete. Er kündigte an, dass ab dem 1. Oktober 2010 nur noch diese angemessenen Kosten übernommen würden.
Zum 1. September 2010 mietete die Klägerin eine 3-Zimmer-Wohnung im A-Straße in A Stadt mit einer Größe von 60,5 m² an. Vor Abschluss des Mietvertrags holte sie keine Zusicherung bei dem Beklagten ein. Die Bruttokaltmiete hierfür betrug zunächst 295,00 €, im streitgegenständlichen Monat Juli 2014 302,00 €. Zusätzlich fiel im Monat Juli 2014 ein Abschlag für Heizgas der Stadtwerke A-Stadt GmbH von 64,00 € an.
Seit dem Einzug in die Wohnung im A-Straße übernahm der Beklagte die Bedarfe für Unterkunft nur in Höhe von 237,50 € zuzüglich 56,00 € Heizkosten. Mit Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2014 und Änderungsbescheid vom 10. März 2014 bewilligte er der Klägerin Leistungen nach dem SGB II vorläufig im Hinblick auf die Anrechnung von Einkommen für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014 in Höhe von insgesamt 453,69 €. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Unter dem 10. Juni 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 endgültig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 351,19 €. Hierbei berücksichtigte er einen als angemessen angesehenen Bedarf für Unterkunft in Höhe von insgesamt 293,50 €, bestehend aus 212,00 € für die Grundmiete, 25,50 € für kalte Nebenkosten und 56,00 € für Heizkosten. Hiergegen legte die Klägerin am 23. Juni 2014 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2014 zurückwies. Der Beklagte meinte, der Widerspruch sei bereits unzulässig, weil der Widerspruch zulässigerweise auf die Bedarf für Unterkunft beschränkt gewesen sei, diese aber im angegriffenen Bescheid für den Monat Juli 2014 gerade nicht abgeändert worden seien. Regelungsgehalt des Bescheids vom 10. Juni 2014 sei alleine die Einkommensanrechnung gewesen. Die Bedarfe für Unterkunft seien in den Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheiden vom 21. Januar 2014 und 10. März 2014 geregelt worden, die allerdings bestandskräftig geworden seien.
Dagegen hat die Klägerin am 8. August 2014 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Der Beklagte hat die Klageschrift als konkludent gestellten Überprüfungsantrag gem. § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) angesehen und unter dem 1. Oktober 2014 einen Änderungsbescheid erlassen, mit dem er der Klägerin nunmehr für den streitgegenständlichen Monat Juli 2014 SGB II - Leistungen in Höhe von 377,01 € bewilligt hat. Als Bedarfe für Unterkunft und Heizung berücksichtigte er nunmehr einen aus seiner Sicht angemessenen Betrag für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 255,32 € und als B...