Orientierungssatz

Unfallversicherungsschutz bei Fahrgemeinschaft nach § 550 Abs 2 Nr 2 RVO:

Gegen den Unfallversicherungsschutz bei einer Fahrgemeinschaft spricht nicht, daß der Verletzte zu diesem Zweck von seiner Wohnung zunächst in entgegengesetzter Richtung fuhr. Vielmehr sind gemäß § 550 Abs 2 Nr 2 SGG auch Umwege und sogar Abwege nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn sie dem Zweck dienen, die Arbeitsstätte oder mehrere Arbeitsstätten gemeinsam zu erreichen.

 

Verfahrensgang

SG Fulda (Urteil vom 03.03.1977)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 3. März 1977 und der Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 1976 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger das Ereignis am 9. August 1976 als Arbeitsunfall in gesetzlichen Umfang zu entschädigen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Nach der Unfallanzeige der Firma K. in F. P. Allee - D. Straße …, verunglückte der 1958 geborene, bei ihr beschäftigte Kläger am 9. August 1976 gegen 7.20 Uhr mit seinem Kleinkraftrad, als er auf dem Weg von seiner Wohnung in F., U. Straße …, in Richtung F. den G. Weg befahrend in die N. Straße einbog und dort unter einen entgegenkommenden Lastkraftwagen (Lkw) geriet. Dabei erlitt er erheblich Verletzungen an Kopf und Wirbelsäule. Ausweislich der der Beklagten erteilten Auskunft des Arbeitgebers wollte der Kläger seinen Arbeitskollegen, den Zeugen E. E. der ebenso wie der Kläger Kraftfahrzeugmechaniker war, in F. abholen, weil dessen Kleinkraftrad defekt war.

Durch Bescheid vom 28. Dezember 1976 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Zwar sei ein solcher nach der Bestimmung des § 550 Abs. 2 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) grundsätzlich nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweiche, weil er mit anderen berufstätigen oder versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit benutze. Dieser auch bei gelegentlicher Mitnahme von versicherten oder berufstätigen Personen bestehende Versicherungsschutz könne jedoch nicht so weit ausgedehnt werden, daß jedes vernünftige Verhältnis zum unmittelbaren, verkehrsüblichen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Frage gestellt werde. Hier betrage der Weg des Klägers von der Wohnung zur Arbeitsstätte ca. 2,5 km, während die Gesamtstrecke der am Unfalltage beabsichtigten Fahrt zur Abholung des Arbeitskollegen in N. etwa 10 km betrage. Dadurch sei der Weg zur eigenen Arbeitsstätte um das Vierfache verlängert worden, so daß es an einem vernünftigen Verhältnis zum unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und dem Weg zur Abholung einer versicherten Person andererseits fahle. Außerdem sei der Kläger mit der Abholung zunächst in völlig anderer, entgegengesetzter Richtung gefahren und hätte auch wieder bis zur Höhe der Wohnung zurückfahren müssen, um von dort den Weg zum Betrieb fortzusetzen.

Gegen den am 28. Dezember 1976 zur Post aufgelieferten Bescheid hat der Kläger am 3. Januar 1977 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage erhoben.

Nach Anhörung des Klägers sowie Vernehmung seiner Mutter A. D. und des K. E. als Zeugen hat das SG durch Urteil vom 3. März 1977 die Klage abgewiesen, da der Grund der Fahrt nach N. am 9. August 1976 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ungeklärt sei. Aussagen über Art und Zeitpunkt der Verabredung gingen auseinander, wie auch der Kläger und der Zeuge K. E. keine Angaben über den Grund der fehlenden Betriebsbereitschaft des Kleinkraftrades des E. machen können.

Gegen das ihm am 2. Mai 1977 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Mai 1977 bei dem SG Berufung eingelegt.

Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den 19 Jahre alten Kraftfahrzeugmechaniker K. E., den 15-jahrigen Lehrling B. G. und die Mutter des Klägers A. D. als Zeugen vernommen. Ferner wurde der Kläger noch einmal gehört. Auf die in die Sitzungsniederschrift aufgenommenen Bekundungen bzw. Angaben wird Bezug genommen.

Der Kläger trägt zur Begründung vor, die Zeugenaussagen über die Bildung einer Fahrgemeinschaft mit dem Zeugen E. für den Unfalltag stimmten im wesentlichen überein. Mit de SG sei davon auszugehen, daß der Versicherungsschutz bei der Bildung von Fahrgemeinschaften nicht von der Größe des Umweges abhänge. Die Vermutung, er habe seine Freundin, die Zeugin G., in N. abholen wollen, sei dadurch widerlegt, daß sowohl der Zeuge E. als auch seine Mutter bekundet hätten, er habe E. abholen wollen, was auch zeitlich mit dem Arbeitsbeginn um 7.45 Uhr übereinstimme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil das Sozialgerichts Fulda vom 3. März 1977 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 1976 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm das Ereignis vom 9. August 1976 als Arbeitsunfall in gesetzlichen Umf...

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