Entscheidungsstichwort (Thema)
Pkw als Arbeitsgerät
Leitsatz (amtlich)
Der Nachweis dafür, daß ein Pkw überwiegend betrieblich genutzt wird und deshalb ein Arbeitsgerät darstellt, kann im allgemeinen nur durch Tatsachen geführt werden, wie sie im einzelnen bei der Führung eines Fahrtenbuches festgehalten werden.
Daß eine Finanzbehörde die überwiegende betriebliche Nutzung des Pkw auf Grund der Angaben des Versicherten anerkannt hat, reicht nicht aus.
Normenkette
RVO § 549
Verfahrensgang
SG Fulda (Urteil vom 26.09.1972; Aktenzeichen S-3 bU - 146/71) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 26. September 1972 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Unfalls, dem der Kläger am 26. Januar 1971 in Asbach bei Bad Hersfeld mit einem Personenkraftwagen – Pkw – erlitten hat.
Der 1910 geborene Kläger betreibt in der … in … als selbständiger Friseurmeister ein Friseurgeschäft, das er regelmäßig von seiner etwa 2,4 km entfernt liegenden Wohnung täglich mit einem Pkw aufsucht, so auch Ende 1970/Anfang 1971. In dieser Zeit benutzte er einen auf seine Ehefrau am 15. Oktober 1970 zugelassenen Pkw Opel Rekord 1500 mit dem polizeilichen Kennzeichen …. Sie betreibt ab 1. Oktober 1970 in der … ein eigenes Friseurgeschäft. Das Fahrzeug war erstmals am 26. Januar 1964 auf … zugelassen worden. Dieser legte das Fahrzeug am 2. April 1969 bei einem Kilometerstand zwischen 62.000 und 65.000 still. Am 17. Februar 1970 wurde der Pkw auf … als Zweitbesitzer zugelassen. Von ihm erwarb die Ehefrau des Klägers den Pkw bei einem Kilometerstand zwischen 70.000 und 76.000. Mit diesem Pkw befand sich der Kläger am Unfalltag mit seinem bei ihm aus Berlin zu Besuch weilenden Bruder auf dem Weg nach Bad Hersfeld, wo sein anderer dort wohnender Bruder ihm bei der Fa. … in Asbach zum Zwecke der Instandsetzung der beschädigten Kupplung einen Reparaturtermin verschafft hatte. Dort fuhr der Kläger zunächst an der Werkstätte vorbei, um dann wenig später seinen Pkw zu wenden, der dabei in weiches Gelände abrutschte. Beim Versuch, den Pkw wieder auf die Straße zu bringen, erlitt er dem Krankheitsbericht des Dr. … und des Dr. … (Kreiskrankenhaus …) vom 27. April 1971 zufolge eine Kompressionsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers mit nach ventral abfallender Deformierung. Deshalb bestand, wie Dr. … (Fulda) am 1. Juni 1971 mitteilte, bis zum 31. Mai 1971 Arbeitsunfähigkeit. Dr. … schätzte vorläufig die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 30 v.H. Die Beklagte teilte dem Kläger zunächst mit Schreiben vom 9. Juli 1971 mit, daß die Fahrt nach Bad Hersfeld und Asbach zur Vornahme einer Reparatur an seinem Pkw in keinem betrieblichen Zusammenhang gestanden habe, so daß der Versicherungsschutz zu verneinen sei. Auf entsprechendes Verlangen erteilte sie am 21. Oktober 1971 einen förmlichen Ablehnungsbescheid, den sie am gleichen Tage mit Einschreiben absandte.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 10. November 1971 bei dem Sozialgericht Fulda – SG – Klage erhoben und geltend gemacht: Die Fahrt zur Reparaturwerkstatt habe unter Versicherungsschutz gestanden, da es sich bei dem reparaturbedürftigen Pkw um ein überwiegend betrieblich genutztes Fahrzeug gehandelt habe. Er sei deshalb, als er das Fahrzeug nach Asbach zur Reparatur brachte, für sein Unternehmen tätig geworden und habe daher unter Versicherungsschutz gestanden.
Mit Urteil vom 26. November 1972 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Unfallgeschehen vom 26. Januar 1971 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Pkw des Klägers sei als Arbeitsgerät i.S. des § 549 Reichsversicherungsordnung – RVO – anzusehen. Nach Angaben des Klägers werde er überwiegend für geschäftliche Zwecke benutzt.
Dies sei, was genüge, auch von der Finanzverwaltung anerkannt. Bei seiner Steuerveranlagung werde die betriebliche Benutzung des Pkw's zu 80 v.H. berücksichtigt. Da der Zweck der Fahrt nach Asbach allein in dem Verbringen des betrieblich genutzten Pkw's zur Reparaturwerkstatt gelegen habe, sei der Versicherungsschutz zu bejahen.
Gegen das ihr am 14. November 1972 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Dezember 1972 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind zunächst zur Frage, bei welcher Kilometerleistung die Vor- bzw. Nachbesitzer des Pkw diesen jeweils abgegeben bzw. übernommen haben, die Auskünfte des … des … und des … vom 20. Juni 1975 bzw. 14. und 20. Mai 1974 eingeholt worden, die diese bei ihrer Vernehmung vor dem SG am 11. Februar 1975 und 19. März 1976 als Zeugen im wesentlichen wiederholt haben. Hierauf wird verwiesen. Außerdem sind die Kunden des Klägers … und … seine Ehefrau … sowie die damals in seinem Geschäft arbeitenden Friseusen … und … als Zeugen von dem SG am 19. März 1976 im Wege der Rechtshilfe gehö...