Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Bestimmung des einer neugegründeten Gemeinschaftspraxis zugewiesenen Regelleistungsvolumens

 

Orientierungssatz

1. Für eine neugegründete vertragsärztliche Praxis gebietet es der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, die Fallzahlbegrenzung bis zum Durchschnitt der Fachgruppe in der Aufbauphase zu unterlassen. Dies gilt aber nicht für eine bestehende Gemeinschaftspraxis. Weder Veränderungen in der personellen Zusammensetzung der Gemeinschaftspraxis noch die Verlegung des Standorts der Praxis innerhalb desselben Planungsbereichs rechtfertigen die honorarrechtliche Gleichstellung mit einer Neuniederlassung.

2. Umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen müssen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Für Praxen in der Aufbauphase muss die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein, für die anderen, noch nach der Aufbauphase von drei bis fünf Jahren unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen muss dies innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden. Diese Grundsätze sind auf alle Honorarverteilungsregelungen anzuwenden, die sich im Ergebnis auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes honorarbegrenzend auswirken (vgl BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 50).

3. Fehlt in einer Honorarverteilungsregelung eine Bestimmung, die unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen eine hinreichende Wachstumsmöglichkeit bis hin zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht, so ist eine solche Regelung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Möglichkeit für umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen, nicht vereinbar. Diese Regelung verletzt den unterdurchschnittlich abrechnenden Vertragsarzt in seinen Rechten (vgl BSG vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 45).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen B 6 KA 44/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 6. Oktober 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat.

Die Beteiligten tragen die Kosten beider Instanzen jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des für das Quartal III/09 zugewiesenen Regelleistungsvolumens (RLV).

Die Klägerin ist eine radiologische Gemeinschaftspraxis mit Vorhaltung von CT und MRT, die seit dem 1. Quartal 2004 in der Zusammensetzung Dres. QQ. und WW. und seit dem 1. Januar 2008 in der Zusammensetzung Frau Dr. EE., Herr Dr. QQ. und Herr Dr. WW. zur vertragsärztlichen Versorgung an unterschiedlichen Standorten mit aktuellem Sitz in A-Stadt zugelassen ist.

Im Jahr 2009 haben die Partner der Klägerin neben ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit jeweils anteilmäßig die Vertretung des Chefarztes für die röntgenologische Abteilung bei den Kreis Kliniken bei dem Landkreis Q. durchgeführt.

Nach einigen zeitlichen Verzögerungen hat die Klägerin ihre Praxisräume in A-Stadt, für die sie erhebliche Investitionen vorgenommen hatte, im Laufe des Sommers 2009 fertig gestellt und ihre Tätigkeit dort aufgenommen. Nach eigenen Angaben war Grundlage der Investitionsentscheidung der Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 2. Oktober 2007, dem sie eine Zusicherung entnahm, wonach Sie im Rahmen der Fallzahlbegrenzungsregelung immer Anspruch auf die durchschnittliche Fallzahl Ihrer Fachgruppe habe. Mit Bescheid vom 9. Juni 2009 erhielt die Klägerin zudem die Genehmigung, eine Zweigpraxis in AB-Stadt zu betreiben.

Die Beklagte wies der Klägerin auf der Grundlage der Fallzahlen aus dem Jahr 2008 mit Bescheid vom 27. Mai 2009 ein Regelleistungsvolumen in Höhe von 3.700,09 € für das Quartal IIl/09 zu, resultierend aus der Multiplikation der für das RLV relevanten Fallzahl aus dem Quartal IIl/08 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert. Zur Förderung der Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften wurde ein 10%-iger Aufschlag gewährt.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt.

Mit Bescheiden vom 7., 9. und 17. September 2009 hat die Antragsgegnerin den Mitgliedern der Klägerin jeweils mit Wirkung zum 29. Juli 2009 die Genehmigung zur Abrechnung von CT- bzw. MRT-Leistungen bzw. für Dr. EE. auch die Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie und MR-Angiographie erteilt.

Mit weiterem Bescheid vom 7. September 2009 korrigierte die Beklagte den Bescheid vom 27. Mai 2009 dahingehend, dass das RLV der klägerischen Praxis auf 3.960,25 € festgelegt wurde. Die Erhöhung ergab sich aus der Anpassung des Fallwertes für Frau Dr. EE. auf 59,55 € aufgrund der geänderten Einstufung in die Gruppe der Radiologen mit Vorhaltung von CT und MRT. Mit weiterem Bescheid vom 8. Oktober 2009 korrigierte die Beklagte das RLV für das Quartal III/09 erneut, diesma...

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